Kirchheim

„Es geht immer um die Menschen“

Porträt Michael Wucherer ist Einsatzleiter der Rettungsdienste im Landkreis Esslingen. Sein Alltag ist geprägt von viel Papierkram. Wenn‘s ernst wird, rückt er aber mit aus. Von Thomas Krytzner

Michael Wucherer liebt seinen Beruf, auch wenn er ihm wenig Zeit für Hobbys oder Feierabend lässt.Fotos: Thomas Krytzner
Michael Wucherer liebt seinen Beruf, auch wenn er ihm wenig Zeit für Hobbys oder Feierabend lässt.Fotos: Thomas Krytzner

Seit fast 30 Jahren ist der Neckartenzlinger beim Deutschen Roten Kreuz im Rettungsdienst tätig. Seit mehreren Jahren leitet Michael Wucherer den Rettungsdienst. Dazu gehören, wie er erklärt, nebst der Verantwortung für den Rettungsdienst auch die Leitung über die Krankentransporte und die Integrierte Leitstelle (ILS). Bei der ILS kommen die Notrufe, zum Beispiel über die Europäische Notrufnummer 112, an. Am Telefon sitzen Disponenten, die dann festlegen, welche Fahrzeuge eingesetzt werden. Hilfe bekommen sie von einem Computersystem, das das nächstgelegene Fahrzeug vorschlägt.

Michael Wucherer hat als Rettungsdienstleiter Geschäftsführerfunktion. Denn er kümmert sich auch ums Personal beim Rettungsdienst und hat die wirtschaftliche Verantwortung. „Wir sind als Unternehmen autark“, sagt er und führt aus: „Als Gesellschafter fungieren die beiden DRK-Kreisverbände Nürtingen-Kirchheim und Esslingen.“ Mit über 300 hauptamtlichen Mitarbeitern zählt der Rettungsdienst im Landkreis Esslingen zu den fünf größten in Baden-Württemberg. Sie betreuen ein Gebiet mit rund 530 000 Einwohnern. Im vergangenen Jahr haben die Einsatzkräfte 1,78 Millionen Kilometer bei 39 181 Notfalleinsätzen und 30 385 Krankentransporten zurückgelegt. „In unserem Einsatzgebiet herrscht das größte Gefahrenpotenzial“, sagt Michael Wucherer und erklärt auch warum: „Wir haben die Autobahn A 8, einige Bundesstraßen, eine umfangreiche Industrie sowie den Flughafen in unserem Gebiet.“ Dazu kommen die Flüsse und Badeseen sowie die Schwäbische Alb.

Der Rettungsdienst steht an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Die Notfallrettung wird mit 12-Stunden-Schichten gesichert. „Am Tag können im Notfall sechs Notärzte und 13 Rettungswagen samt Besatzung sofort losfahren.“ Michael Wucherer bekräftigt, dass im Landkreis Esslingen eine klare Trennung zwischen Rettungseinsatz und Krankentransport stattfindet.

„Es ist ein Managerjob“

Michael Wucherer führt in seiner Aufgabe mehrere Teamleiter. Diese betreuen verschiedene Abteilungen innerhalb des Rettungsdienstes. Da gilt es, Bildung und die Teilnehmer am freiwilligen sozialen Jahr zu betreuen, die Dienstplanung will gemacht sein, und es braucht die Administration im Rettungsdienst. Aber auch der Fuhrpark und die Medizinprodukte müssen immer auf dem neusten Stand sein. Für Michael Wucherer gibt es das Wort Feierabend kaum. „Die Tätigkeit hört abends nicht auf“, bestätigt er. Nicht zuletzt führt Wucherer die hohe Einsatzbereitschaft auf den sensiblen Tätigkeitsbereich zurück: „Es geht am Schluss immer um Menschen.“

Wenn Michael Wucherer im Büro am Hohen Gestade in Nürtingen sitzt, kümmert es sich hauptsächlich um die strategische Ausrichtung des Rettungsdienstes und verfolgt Veränderungen im medizinischen Bereich. „Es ist ein üblicher Bürojob mit den üblichen Tätigkeiten wie E-Mails lesen und beantworten, vielen Sitzungen.“ Am aktiven Fahrdienst nimmt er als Rettungsdienstleiter nicht mehr teil.

Belastung für Psyche und Körper

Wer mit dem Rettungsdienst in Berührung kommt, hat etwas erlebt, was nicht täglich passiert. Und genau für diese Fälle ist Michael Wucherer gewappnet. „Man muss sich bei diesem Beruf zum einen in die Mitarbeiter und zum anderen in die Patienten oder Angehörigen hineinversetzen.“ Deshalb gehört ein hohes persönliches Engagement genauso zum Job, wie die Bereitschaft, auch am Wochenende auf Abruf zu sein. Zeit für Hobbys hat Michael Wucherer kaum. Trotzdem ist er sicher: „Ich würde es genauso wieder machen.“ Die Arbeit macht ihm Spaß. Er hat stets vor Augen, seinen Mitarbeitern ein gutes und sicheres Arbeitsumfeld zu bieten. An die Rente mag er noch nicht denken.

<!401_BU_ARTIKEL!>*
*

Unterwegs mit Blaulicht, Sirene und Adrenalin

Wenn Michael Wucherer zu einem Einsatz gerufen wird, ist meistens Eile geboten. Sobald er die Einsatzkleidung überzieht, wird er zum organisatorischen Leiter. Er muss dann schnelle und einsame Entscheidungen treffen. „Für diese stehen wir auch gerade. Aber genau das bringt die Würze im Job mit sich, wenn man vorn steht und das Sagen hat.“

Sobald die Einsatzfahrt losgeht, arbeitet das Hirn des Rettungsdienstleiters unter Hochdruck. „Auf der Fahrt macht man sich erste Gedanken. Was kommt auf mich zu? Die ersten Arbeitsabläufe spielen sich ab.“ Da sein Fahrzeug gleichzeitig auch Kommandowagen ist, fragt er sich auch, wo er das Fahrzeug abstellen kann. Es muss ja möglichst nahe am Einsatzort sein, darf aber andere Einsatzkräfte oder gar den Rettungshubschrauber nicht behindern. Dann spielen die jahrelange Erfahrung und die Routine mit. „Man ist ja ausgebildet, um bei solchen Lagen den Einsatz abzuarbeiten. Aber es ist belastend für Psyche und Körper.“

Schlimm findet es Michael Wucherer, wenn zwei heftige Einsätze aufeinander folgen. Wenn aber an ein paar Tagen nacheinander nichts passiert, wird der Leiter der Rettungsdienste unruhig, statt sich über die Ruhe zu freuen. Insgesamt gibt es im Rettungsdienst im Landkreis vier Einsatzleiter mit langjähriger Erfahrung. „Ich tausche mich oft mit den anderen Einsatzleitern aus.“ Das ist auch nötig. Denn der Job ist belastend.kry