Kirchheim

Es stinkt zum Himmel

Geruchsbelästigung Es erwischte viele in Kirchheim: Ein unangenehmer Duft „bereicherte“ in regelmäßigen Intervallen tagelang die Luft. Die Ursache ist ausgebrachter Kompost – aber nicht vom Kompostwerk. Von Iris Häfner

Der großflächig ausgebrachte Kompost sorgte in Kirchheim für Geruchsbelästigung. Foto: pr
Der großflächig ausgebrachte Kompost sorgte in Kirchheim für Geruchsbelästigung. Foto: pr

Ein unangenehmer Geruch hat sich in den vergangenen Tagen über der Stadt Kirchheim breitgemacht. Je nach Luftströmung erreichte die Kompost-Brise die Nasen der Bürger, auch Lindorf war betroffen. Manche haben jedoch Glück gehabt und blieben von dem süßlich-verwesend riechenden Gestank verschont. Verursacher war nicht das Kompostwerk in den Rabailen, sondern ein benachbarter Garten- und Landschaftsbaubetrieb.

Der schaffte auf seiner Betriebsfläche Platz und fuhr noch nicht komplett vergorenen Kompost auf seine Felder zwischen seinem Betrieb und der Hahnweide. „Wenn man schlechtes Material, also Frischmasse wie Gras oder Laub, in den Kompost einarbeitet, kommt Luft rein, und die Masse fängt an zu stinken. Ich habe selbst das Laub auf den abgeernteten Getreideflächen gesehen“, sagt Hansjörg Güthle, der beim Landwirtschaftsamt in Nürtingen für die Düngeverordnung zuständig ist. Das war allerdings schon vor rund zwei Wochen bei der ersten Dünge-Welle des Betriebs. Auch damals gab es schon Beschwerden wegen der Geruchsbelästigung. An Lüften war beispielsweise im Nägelestal bei den heißen Temperaturen nicht zu denken. „Die Frage ist, ob man bei 30 Grad das Material rausfahren muss“, gab Hansjörg Güthle dem Betriebsleiter zu bedenken. Dieser wurde außerdem aufgefordert, das Material schnell unterzuarbeiten.

Die Botschaft kam offenbar nicht an. Deshalb war Hansjörg Güthle innerhalb von zwei Wochen zum zweiten Mal auf dem Betrieb und den Feldern. Man brauchte nur der Nase nachgehen, um die Flächen zu orten. Direkt hinter der Flugschule ist solch ein Feld. Immerhin, der Dünger ist dort eingearbeitet, was den Gestank zwar nicht völlig verschwinden lässt, aber zu einem guten Teil eindämmt. Zu sehen ist dort aber nicht nur die übel riechende schwarze Masse, sondern auch jede Menge Plastikmüll: Teile von Drainagerohren, große Folienfetzen, bunt bedruckte Tetra-Pak-Teile und anderes Material, das definitiv nicht auf einen Acker gehört. Allerdings: Geraume Zeit später sind die großen Teile weg - sie wurden von Hand abgelesen.

Die Bioabfallverordnung lässt bestimmte Anteile solcher Fremdstoffe zu. Dazu zählen beispielsweise neben Kunststoff auch Glas und Metall. „Der Höchstwert beträgt maximal 0,5 Prozent bezogen auf die Trockenmasse des aufzubringenden Materials bei einem Siebdurchgang von mehr als 2 Millimetern. Das bedeutet, dass pro Kilogramm Kompost-Trockenmasse fünf Gramm Fremdmaterial wie Kunststoff zulässig ist“, erklärt Nicole Klöckner von der Pressestelle des Landratsamts Esslingen.

Weder die Bioabfall- noch die Düngeverordnung sieht eine Regelung vor, dass Festmist oder Kompost innerhalb von einer bestimmten Frist in den Boden eingearbeitet sein muss. Bei Gülle sieht es allerdings anders aus, sie muss spätestens nach vier Stunden im Boden eingearbeitet sein. „Die Errichtung und der Betrieb einer Kompostieranlage bedürfen regelmäßig einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung“, sagt Nicole Klöckner. Zuständige Behörde ist in dem Fall jedoch das Regierungspräsidium.

Martin Döbler, Chef der gleichnamigen Firma, zeigt sich nunmehr einsichtig. „Wir haben Kompost mit den Rotte-Graden III bis IV genommen. Künftig werden wir das Material drei bis vier Wochen länger sitzen lassen, dann sind wir bei Rotte-Graden von IV bis V“, erklärt er. Fertigkompost ist hygienisierter, biologisch stabilisierter und ausgereifter Kompost der Rotte-Grade IV oder V, schreibt dazu der Verband der Humus- und Erdenwirtschaft.

Die Zeit drängte aus Sicht von Martin Döbler noch in anderer Hinsicht: Ein gewisser Prozentsatz seiner Felder muss über den Winter begrünt sein. Die Saatmischung dafür muss Mitte August in die Erde - und davor musste der Kompost auf den Acker. „Die Dauerbegrünung bleibt unangetastet bis Februar, auf den Feldern mit Mais, je nach Witterung bis Ende April“, erklärt der Landwirt. Seit er seinen Kompost ausbringt, hat er Humusbildung auf den Flächen und mehr Bodenleben. Dank des Greenings - ein Prämien-Programm der EU für mehr Grün auf landwirtschaftlichen Flächen - hat Martin Döbler auch keine Erosionen mehr über den Winter auf den Äckern zu beklagen.

Nach dem Kompostgestank wird es bunt

Greening bedeutet: Landbewirtschaftungsmethoden, die den Klima- und Umweltschutz fördern. Diese Leistung für die Umwelt müssen die Bauern zusätzlich aufbringen, um an die EU-Prämie zu kommen. „Dieser Mehraufwand geht in Richtung Biodiversität und ganzjährige Bodenbedeckung. Damit wird für Wildtiere, Bienen und auch Wildpflanzen zusätzlicher Raum und Nahrung angeboten“, erläutert der Deutsche Bauernverband.

Die Greening-Prämie liegt bei rund 87 Euro pro Hektar. Voraussetzung dafür ist jedoch die Basisprämie, die „erste Säule“ der EU-Agrarförderung. Das sind 180 Euro pro Jahr und Hektar. Um an die Greening-Gelder zu kommen, muss ein Betrieb, der mehr als 15 Hektar Ackerfläche hat, auf fünf Prozent seiner Fläche derartige ökologische Vorrangflächen einrichten.

Bunte Äcker im Herbst sind rund um die Teck in den vergangenen Jahren vermehrt zu sehen. Die Saatmischungen können recht unterschiedlich aussehen, viele Pflanzen und auch Gräser sind für den Zwischenfruchtanbau oder die Gründecke erlaubt: Einjähriges und Welsches Weidelgras oder Knaulgras; Linse, Lupine, Luzerne, sämtliche Kleearten, Erbse, Wicken, Senf, Koriander, Gartenkresse, Wilde Möhre, Futterkohl, Stoppelrüben, Nachtkerze, Phazelie und Sonnenblume. Jeder Landwirt kann seinen Vorlieben freien Lauf lassen - oder eine Standard-Saatmischung ausbringen.ih