Kirchheim

„Europa funktioniert nur als Einheit“

Politik Der deutsche Außenminister Heiko Maas spricht beim Neujahrsempfang des SPD-Kreisverbands am Freitag im Udeon in Unterensingen über internationale Konflikte. Von Katja Eisenhardt

Europa ist für Außenminister Heiko Maas das erfolgreichste Friedensprojekt aller Zeiten. Foto: Ralf Just
Europa ist für Außenminister Heiko Maas das erfolgreichste Friedensprojekt aller Zeiten. Foto: Ralf Just

Zwei Tage vor dem großen Libyen-Gipfel in Berlin steht Bundesaußenminister Heiko Maas auf dem Neujahrsempfang des SPD-Kreisverbands am Rednerpult im voll besetzten Udeon in Unterensingen und betont, wie zentral ein gemeinschaftliches Auftreten Europas ist. Ob im Rahmen internationaler Konflikte oder bei nationalen und internationalen Herausforderungen wie dem Rechtspopulismus, der Globalisierung der Wirtschaft, dem Klimawandel oder der Digitalisierung.

Angesichts des aktuell sehr vollen Terminkalenders des deutschen Außenministers ist es schon etwas Besonderes, dass er sich die Zeit nimmt, in den Kreis Esslingen zu reisen. Im Plauderton spricht Maas zunächst über seinen regionalen Bezug, den er zwei Frauen zu verdanken habe: Die eine dürfte seine aus Stuttgart stammende Lebensgefährtin, Schauspielerin Natalia Wörner, sein. Die andere ist Dr. Katharina Stasch. Die Chefin des Leitungsstabs im Auswärtigen Amt stammt aus Owen.

Der SPD Neujahrsempfang im Udeon war sehr gut besucht. Foto: Ralf Just
Der SPD Neujahrsempfang im Udeon war sehr gut besucht. Foto: Ralf Just

Einen Tag zuvor war Maas noch im libyschen Bengasi und traf sich mit General Chalifa Haftar, einem der Hauptakteure des Bürgerkriegs. Zwei Tage nach der Stippvisite in Unterensingen fand am gestrigen Sonntagnachmittag der große Libyen-Gipfel in Berlin statt. Kanzlerin Angela Merkel empfing Vertreter aus mehr als zehn Ländern, die Einfluss auf den Libyen-Konflikt haben. Ob es zu einer Einigung komme und damit auch die angestrebte politische Friedenslösung für Libyen auf den Weg gebracht werde, wisse er nicht, erklärte Heiko Maas am Freitag­abend. Deutschland sei aber bereit, Verantwortung zu übernehmen und tue das auch bisher schon in großem Ausmaß mit 3500 deutschen Soldaten an zehn Außeneinsatzorten.

Auch im Konflikt zwischen den USA und dem Iran müsse verstärkt auf eine diplomatische Lösung gesetzt werden. Maximaler Druck führe zu nichts: „Wir wollen reden, nicht schießen. Es kommt auf die größtmögliche Zurückhaltung aller Seiten an“, erklärte der Außenminister und verwies auf die „Absurdität der militärischen Logik“, die sich bei den Ereignissen der vergangenen Tage deutlich gezeigt habe: Die Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA, die iranischen Raketenangriffe auf US-Militärbasen und der versehentliche Abschuss eines Passagierflugzeugs mit hauptsächlich Iranern an Bord bezeichnete Maas als „kompletten Wahnsinn“. Er zeigte sich optmistisch: „Deutschland und Europa sind in einer Verfassung, in der wir alle Herausforderungen meistern können, wenn wir das zusammen tun.“ So habe Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien den Streitschlichtungsmechanismus gestartet, „weil wir es nicht mehr länger hinnehmen wollen, dass sich der Iran seinen Verpflichtungen im Atomabkommen entzieht“, betonte der Bundesaußenminister.

Für die Stabilität im gesamten Nahen und Mittleren Osten sei es zudem von großer Bedeutung, dass keiner aus dem Irak abgezogen werde, der sich im Anti-IS-Kampf engagiere. Das bisher Erreichte müsse bewahrt und fortgesetzt werden.

Europa funktioniere nur als Einheit, hob Maas hervor. Dazu gehöre, dass man Nationalisten und Rechtspopulisten national und international gemeinsam entgegentrete. Weitere Themen seien die Internationalisierung der Wirtschaft und der Klimawandel.

„Für eine digitale Souveränität“

Besonderes Augenmerk richtete er auf die Digitalisierung: Im amerikanischen Silicon Valley stehe die Profitmaximierung im Zentrum, China fokussiere sich auf die digitale Überwachung der eigenen Bürger. „Wir brauchen für uns einen europäischen Weg, eine digitale Souveränität“, sagte Maas. Europa müsse auf internationalem Parkett gemeinschaftlich für seine Interessen einstehen. Bei all den Herausforderungen und Konflikten müsse man sich jedoch bewusst machen, wie gut es den Deutschen eigentlich gehe. Als Stichworte nannte Maas Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, Freiheit und den Wohlstand. Dass außerhalb Deutschlands oft besser über das Land gesprochen werde als in Deutschland selbst, gebe ihm zu denken. Europa sieht der Außenminister als „erfolgreichstes Friedensprojekt aller Zeiten.“ Dafür müsse man allerdings auch deutlich eintreten. Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken dürfe man nicht stillschweigend hinnehmen: „Worte führen hier immer öfter zu Taten. Da muss sich jeder Einzelne fragen, was er dagegen tun kann“, so Maas. Oberstes Ziel sei der Respekt der Menschen im Umgang miteinander.

Der SPD-Kreisvorsitzende Michael Beck ist für einen starken sozialen Staat

Der Kreisvorsitzende Michael Beck betonte, dass es schon allein im Hinblick auf die nationalen und internationalen Verbrechen im vergangenen Jahr unabdingbar sei, sich gegen rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische und über Flüchtlinge hetzende Äußerungen zu wehren. Beck zog eine historische Parallele zum Lenninger Pfarrer Julius von Jan, der während der Nazi-Diktatur die Verbrechen an den Juden angeprangert hatte. Der SPD-Kreisvorsitzende hob zudem die internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz und bei der Regulierung der Finanz­märkte hervor.

Innenpolitisch müssten die Sozialdemokraten zeigen, dass sie für einen handlungsfähigen, starken sozialen Staat stehen. Ein Beispiel sei das Ziel der SPD, den ÖPNV im Kreis Esslingen, der Region Stuttgart sowie in ganz Baden-Württemberg mit einem 365 Euro-Jahresticket bezahlbar und attraktiv für jeden zu machen. Geld müsse für den Ausbau und die Förderung des ÖPNV ausgegeben werden und nicht für die angedachte Neulackierung der S-Bahnen.

 

Arbeitsschutz sieht der SPD-Kreisvorsitzende als eine weitere drängende Aufgabe der Landespolitik. „Weder CDU noch die Grünen sind ernsthaft bereit, dafür mehr Personal zur Verfügung zu stellen. Es ist ein Armutszeugnis, dass die Landesregierung nicht bereit ist, die Beschäftigten in unserem Land angemessen zu schützen.“ Darüber hinaus dürften all jenen - auch Flüchtlingen - keine Steine in den Weg gelegt werden, die in Deutschland beispielsweise in Mangelberufen arbeiten wollen. Es brauche praktikable Gesetze auf dem Arbeitsmarkt. Aus diesen Gründen sei mit Nachdruck seitens der SPD im vergangenen Jahr auch das Einwanderungsgesetz beschlossen worden. eis