Kirchheim
Exklusive Fahrt auf der neuen ICE-Strecke zwischen Wendlingen und Ulm

Infrastruktur Eine besondere Testfahrt gab es für Leserinnen und Leser des Teckboten: Sie konnten noch vor dem offiziellen Start auf der neuen Schnellbahntrasse zwischen Wendlingen und Ulm mit dem Zug fahren. Von Iris Häfner

„Des gibt’s et. Jetzt packad dia doch tatsächlich da Schampus aus!“ Otto Krautwassers spontaner Ausruf ist im ganzen Abteil des nigelnagelneuen ICEs zu hören. Er ist mit einem Mikrofon ausgestattet, denn er erklärt für die Reisenden auf der Sonderfahrt von Stuttgart nach Ulm und wieder zurück auf der neuen Schnellbahnstrecke die Besonderheiten der Trasse. Am Freitag war die Prominenz bei der offiziellen Inbetriebnahme am Start, am Samstag gab es mehrere Sonderfahrten. Eine davon konnten Leserinnen und Leser des Teckboten mitmachen, die sich unmittelbar nach der Freischaltung der Aktion für die Anmeldung eingeloggt haben. Das Interesse für die kostenlose Fahrt war riesig. Exklusiv war sie obendrein, denn offiziell wurde die Strecke erst einen Tag später in Betrieb genommen.

Mit Schwarz-Rot-Gold-Banderole und der Aufschrift Wendlingen-Ulm ist das neue Aushängeschild der Deutschen Bahn versehen. Hier wartet der Zug im Stuttgarter Hauptbahnhof auf seine Gäste. Foto: Carsten Riedl

„Willkommen im Kanzlerzug“, begrüßte Sebastian Heinel, Leiter des Besucherdiensts Infoturm Stuttgart (ITS), die Gäste via Zugansage und kam ohne viel Federlesens zu der Aussage: „Ich drücke die Daumen, dass Sie die Filstalbrücke aufs Bild bekommen.“ Bis dahin dauerte es ein bisschen, denn Start der Fahrt war der Hauptbahnhof Stuttgart. Gemächlich setzte sich das Aushängeschild der Deutschen Bahn in Fahrt. Auf altbekannter Trasse zuckelte der flotte Flitzer mal langsamer, mal schneller über das bestehende Schienennetz. Der Ingenieur Otto Krautwasser war in seinem Element. „Schauen Sie sich das raffinierte Bauwerk an wenn wir aus dem Tunnel kommen“, sagte er – und meinte damit die Neckarbrücke nahe der Wilhelma. Er machte auf Bauarbeiten, weitere Tunnel in Ober- und Untertürkheim sowie auf den für ICE-Züge völlig ungeeigneten Abschnitt zwischen Plochingen und Wendlingen aufmerksam. Dafür ist die Strecke nicht vorgesehen, denn bislang fahren die ICE durch das Filstal und Geislingen nach Ulm. Wenn Stuttgart 21 bis in einigen Jahren fertig ist, kommen die rasanten Züge von den Fildern nach Wendlingen, weshalb ein Ausbau dieses kurzen Abschnitts keinen Sinn macht.

Sekt statt Selters: Gerhard Berger ist Stuttgart 21-Fan und freut sich mit seiner Tochter mit dem neuen ICE über die Alb brausen zu können. Foto: Carsten Riedl

Nach der mittlerweile landesweit bekannten „Wendlinger Kurve“ war es dann soweit: Schnellbahntrasse und somit erster (Albvorland-)Tunnel waren erreicht und der Zug konnte auf der ihm adäquaten Ausbauqualität Fahrt aufnehmen. Die Augen fast aller Fahrgäste war auf die digitale Anzeigetafel geheftet. Darauf ist ersichtlich, mit wie vielen Stundenkilometern der Zug gerade unterwegs ist. Ganz ordentlich, aber da war eindeutig noch Luft nach oben. Nach rund acht Kilometern wurde es wieder Licht – und alle kannten sich aus, auch wenn die Teck sich vornehm im Winternebel verhüllte. Kirchheimer Bohnau, Holzmaden – schwubbs wurde es wieder kurz dunkel, um unter dem Autobahnparkplatz Urweltfunde ab- und dann wieder aufzutauchen – und so richtig Schwung zu nehmen für den Boßlertunnel. Er ist mit rund 8,8 Kilometer der längste Tunnel und führt auf die Alb. Und tatsächlich: Kurz zeigte die Anzeigetafel mitten in der Dunkelheit und in der Steigung 250 Stundenkilometer an. Die Spannung stieg. „Jetzt kann es nicht mehr lange dauern. Halten Sie die Handys bereit“, sagte Otto Krautwasser. Ganz klar, alle warteten auf den nur sieben bis acht Sekunden dauernden Ausblick von der Filstalbrücke. Erstaunlich: Er ließ sich tatsächlich genießen, das Auge ruhte auf Wiesensteig in seinem engen Tal – oder in entgegengesetzter Richtung auf Mühlhausen.

Großer Bahnhof für den neuen ICE im Stuttgarter Hauptbahnhof. Foto: Carsten Riedl

Dann ging’s im Steinbühltunnel vollends auf die winterliche Alb. Die Trasse führt nahezu parallel zur Autobahn nach Ulm. Drei weitere Tunnel folgten, doch auch auf der „freien Fahrt“ war wenig von der Landschaft zu erkennen, denn überwiegend befindet sich der Fahrgast auf Augenhöhe von Dämmen oder Mauern. Runter zum Ulmer Hauptbahnhof ging’s auch wieder im Tunnel. Ein Ausstieg dort war nicht möglich, denn der Halt diente dazu, weitere Fahrgäste mitzunehmen. Es ging deshalb weder weiter nach München geschweige denn nach Bratislava, sondern brav zurück nach Stuttgart.

Wieder auf der Alb angekommen, war dann die Sache mit dem Schampus laut vernehmlich publik geworden. Gerhard Berger und seine Tochter ließen die Korken knallen. Der 85-jährige Ötlinger ist ein Stuttgart 21-Fan und am Samstag ging ein großer Wunsch von ihm in Erfüllung: Auf der neuen Schnellbahntrasse zwischen Wendlingen und Ulm mit 250 Sachen und dem neuen ICE fahren.​​​​