Kirchheim

„Fack ju Göhte?“ - nicht am Schlossgymnasium

Theater Schüler des Schlossgymnasiums führen Goethes Faust in der Bastion auf. Das Stück scheint immer wieder Jugendliche anzuziehen – trotz alter Sprache. Von Ulrich Staehle

Noel Matausch als Mephisto (links) und Achim Scholz als selbstverliebter Faust sind ebenbürtige Partner. Foto: Carsten Riedl
Noel Matausch als Mephisto (links) und Achim Scholz als selbstverliebter Faust sind ebenbürtige Partner. Foto: Carsten Riedl

Den Faust hat die Gruppe aus einem Angebot von Stücken ausgewählt“, versichert die Theater-AG-Leiterin Katharina Reiff. Den Schülern wurde also der Klassiker aller Bühnenstücke, der Prüfungsstoff vieler Generationen, das Alterswerk des Dichterfürsten nicht aufs Auge gedrückt. Dass dieses Werk erstaunlicherweise immer wieder gerade Jugendliche anspricht, liegt sicherlich daran, dass Faust kein Held ist, zu dem man ehrfürchtig aufblicken muss, sondern dass er, von Zweifeln zerrissen, nach dem Sinn des Lebens sucht: dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“.

Auch wenn „Faust“ von den Schülern gewünscht wird, so bleibt doch das Problem, dass es sich um ein kompliziertes Werk handelt, dessen Deutungen ganze Bücherregale füllen. Im Unterricht wird den Schülern abverlangt, diesen Text zu verstehen. Also muss für Schüler auch ein spielerischer Zugang möglich sein. Dieser Zugang ist für das Verständnis sogar außerordentlich fruchtbar.

Die beiden Leiter der Theater-AG Sebastian Gekeler und Katharina Reiff haben als Aufführungsort die Bastion ausgespäht, beste Kulisse für Fausts Studierzimmer, das „dumpfe Mauerloch“, oder Gretchens Gefängnis, aber schwierig mit der winzigen Bühne ohne Vorhang. Die Möglichkeit, auf- und abzutreten, ist sehr beschränkt. Das erfordert einen schnellen Umbau auf offener Bühne. Der Text wiederum erfordert eine Kürzung auf erträgliche Länge.

Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Die Theatertruppe des Schossgymnasiums meistert sie bravourös.

Unter engagiertem Einsatz entwickelt sich ein dynamisches Bühnengeschehen. Der Spielraum wird durch Bildprojektionen optisch erweitert, Musik wird eingeblendet, eine Nebelmaschine arbeitet fleißig. Die Umbauten geschehen rasch. Sie sind ebenso geprobt wie die Spielszenen selbst. Das Spiel ist geprägt von Spielfreude und Textsicherheit. Es ist erstaunlich, wie die jungen Spieler die als altmodisch geltende Sprache angenommen und umgesetzt haben. Offensichtlich ist es nicht nötig, Klassiker in einen Jugend-Slang zu übersetzen, à la „Fack ju Göhte“, um sie für Jugendliche schmackhaft zu machen.

Zum Erfolg trug die ganze Truppe in Vielfachrollen bei. Nur in wenigen Passagen hatte man das Gefühl, dass bei der Besetzung Notlösungen gewählt werden mussten: In Auerbachs Keller sitzen saufende Mädchen und fühlen sich wohl wie „fünfhundert Säue“. Die Tanz-AG des Schlossgymnasiums unter Leitung von Andrea Allmendinger-Lahn und Franziska Mezger schuf immer wieder durch thematisch bezogene Tanzeinlagen eine Abwechslung auf der Darstellungsebene, ganz besonders passend natürlich der Hexentanz.

Besonders getragen wurde die Inszenierung aber vor allem von den Darstellern der Schlüsselrollen. Achim Scholz hatte als Faust anfangs einen alten Mann zu spielen, dann einen jungen, verliebten. Mit erstaunlicher Selbstsicherheit hat er das gemeistert. Noel Matauschs Mephisto war mit seinem Zynismus ein ebenbürtiger Partner. Ihr eigenes Alter konnte Annabel Mack als Gretchen spielen und nutzt diese Chance voll und ganz. Ihr inniges Spiel bewahrte vor allem die heikle Wahnsinnsszene am Schluss vor dem Absturz ins Lächerliche.

Schade, dass trotz zweimal vollbesetzter Bastion nicht mehr Zuschauer Zeuge dieses Theaterereignisses wurden. Ganz sicher ist aber, dass der Ertrag reichlich ist. Es haben Lehrer, Eltern und Schüler mit Begeisterung zusammengearbeitet, auch in der Freizeit. Das wirkt sich positiv auf die Schulatmosphäre aus. Die Spieler, das sei prophezeit, werden den „Faust“ nicht vergessen und auch nicht den Goethe, der ihnen ganz nahe gekommen ist.