Kirchheim

Fast zwei Mal um die ganze Welt

Kirchheimer radeln in drei Wochen 74 805 Kilometer – Rad-Rekord in der Innenstadt knapp gescheitert

Drei Wochen lang sind 361 Kirchheimer kräftig in die Pedale getreten. Rekordverdächtige 74 805 Kilometer haben sie dabei „gefressen“.

Stadtradeln macht gute Laune: Die Sieger beim Gruppenfoto vor dem Kirchheimer Schloss strahlen nicht ohne Grund: 74¿805 Kilomete
Stadtradeln macht gute Laune: Die Sieger beim Gruppenfoto vor dem Kirchheimer Schloss strahlen nicht ohne Grund: 74¿805 Kilometer haben sie in den vergangenen drei Wochen zusammen zurückgelegt.Foto: Nicole Mohn

Kirchheim. Samstagmorgen, kurz nach halb zehn. An der Stadtbücherei steht Dieter Hutt von der Initiative „Fahr-Rad“ und verteilt Karten an jeden Radler, der hier vorbeikommt. Mindestens 2 222 Stück wollen seine Mitstreiter und er heute bis 14 Uhr an die Lenker hängen. So viele, wie es Parkplätze rund um die Kirchheimer City gibt. Doch im Moment hat Hutt noch nicht viel zu tun. „Kirchheim wacht erst gegen 10 Uhr auf“, sagt er lachend.

Die meisten der Radler streben Richtung Schlossplatz: Hier lockt ein leckeres Radlerfrühstück, das Duo „Swingology“ unterhält mit leichter Musik. Gleich werden die fleißigsten Teams des Stadtradelns prämiert.

Drei Wochen lang haben 361 Kirchheimer das Auto in der Garage gelassen und sich per Rad fortbewegt. Mit dabei auch Bürgermeister Günter Riemer. Zusammen mit Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker hat er auf den Dienstwagen verzichtet und stattdessen seine Amtswege per Pedelec zurückgelegt. Selbst für den Weg zur Kreistagsitzung in Esslingen schwang sich Riemer in den Sattel. „Es war angenehm, nach einer anstrengenden Sitzung mit dem Pedelec wieder nach Hause zu fahren.“

Entzugserscheinungen? „Hatte ich nicht – null“, sagt Riemer. Viel mehr noch: Dass er sein Rad jetzt wieder abgeben soll, tut ihm richtig weh. Er kann sich sogar vorstellen, komplett umzusatteln und statt Dienstwagen künftig aufs Dienst-Rad zu steigt.

Ihm tun es zahlreiche Kirchheimer bereits gleich. Rund 15 Prozent des Stadtverkehrs sind Radler. Das Ziel der vom Land großzügig finanziell unterstützten Initiative von 16 Prozent hat Kirchheim also fast erreicht – auch wenn die Aktion in der Teckstadt noch lange nicht beendet ist.

Dafür habe die Stadt einiges getan, sagt der Bürgermeister. Neue Radwege wurden gebaut, Radschutzstreifen eingerichtet, Stromzapfsäulen für E-Bikes geschaffen. Die Infrastruktur sei aber nur das eine, gibt er zu bedenken: „Man muss das Rad auch im Alltag nutzen.“ Und hier habe Kirchheim mit seinen Bürgern bereits ganz schön vorgelegt: „Von uns schauen sich viele was ab“, sagt er stolz.

Zusammen mit Sascha Mohnke, Klimaschutzmanager der Stadt und Koordinator des Stadtradelns, verteilt er Urkunden und Medaillen an die erfolgreichsten Teams. Die meisten Kilometer pro Team-Mitglied erradelte das Team „Sifiradler“. Jeweils 480 Kilometer legten Sabine und Iring Drescher zurück. „Ich fahre jeden Tag nach Sindelfingen zur Arbeit“, erklärt Drescher. Bis vor sechs Jahren noch konventionell, inzwischen ist er auf ein E-Bike umgestiegen.

Das Team mit dem besten Gesamtergebnis kommt aus der Kirchheimer Stadtverwaltung: 8 697 Kilometer sind dabei zusammengekommen. Öffentlichkeitswirksam traten die Mitarbeiter in Radtrikots mit dem Stadtlogo auf der Brust in die Pedale. Überzeugungsarbeit musste Oliver Kümmerle von der Stadtverwaltung aber gar nicht groß leisten, um die Kollegen zum Mitmachen zu gewinnen: „Unter unseren Mitarbeitern sind sehr viele, die das Rad jeden Tag benutzen.“

Das aktivste Unternehmensteam stellt „Ride2Festo“. 410 Kilometer kamen hier pro Mitglied zusammen. Vom Schön-Wetter-Radler bis zum Berufspendler gibt es unter den Festo-Mitarbeitern ein breites Spektrum: „Ein paar Verrückte fahren zusätzlich in der Freizeit“, scherzt Teamsprecher Stephan Roos. Statt täglich im Stau zu stehen, setzt er sich lieber auf das Fahrrad, um zur Arbeit zu fahren. „Dann hab ich was für mich getan und was für die Umwelt“, sagt er – und trifft damit genau den Kern, worum es bei der Aktion geht.

Nicht nur die Erwachsenen sammelten fleißig Kilometer: Auch an den Kirchheimer Schulen war das Mitmachen beim Stadtradeln Ehrensache. Die „Schnellen Flitzer“ der Freihof Realschule waren dabei besonders erfolgreich: 128 Kilometer machte jedes der Mitglieder.

Riemers Resümee nach drei Wochen fällt rundum positiv aus. Fast zweimal um den Äquator hätten es die Kirchheimer mit ihren erradelten Kilometern geschafft. Dass die Rekordmarke von 2 222 Radfahrern dann doch nicht erreicht wurde, ist da zu verschmerzen. Immerhin: 1 865 Räder zählten die Helfer am Samstag in der Stadt. Das ist neue persönliche Bestleistung für Kirchheim.