Kirchheim
FDP-Neujahrsempfang: Den Mittelstand in den Fokus rücken

Innovation Stippvisite im Kirchheimer Con4rent: Nicola Beer, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Demokraten war mit der Bahn angereist, um beim Neujahrsempfang des FDP-Kreisverbands über die Bedeutung des Mittelstands für die deutsche Wirtschaft und dessen Unterstützung zu sprechen. Von Katja Eisenhardt

Kirchheim. Natürlich blieb der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine  nicht unerwähnt. Nicola Beer war selbst in Kiew gewesen und berichtete von den persönlichen Eindrücken nach einem Raketenangriff, von Bildern in ihrem Kopf: „Die weißen Turnschuhe, die unter der Plane herausragten, stehen auch im Regal meiner Söhne. Es darf nicht das Recht des Stärkeren gelten, sondern die Stärke des Rechts. Die Ukraine muss unterstützt werden - diplomatisch und militärisch." Die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz, Leopard-Panzer zu liefern, sei daher positiv. Europa habe sich in Abhängigkeit Russlands begeben, „weil wir naiv waren und dachten, die Schrecken sind aus Europa verschwunden." Doch  habe Europa gemeinsam und entschlossen gehandelt: „Das hat wohl auch Putin falsch eingeschätzt."

Dem Mittelstand mehr Aufmerksamkeit schenken

Die wirtschaftliche Lage bessere sich etwas, die Inflationsrate sinke. „Der Mittelstand schnauft, aber er lebt", sagte Nicola Beer, nach wie vor sei er das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft, Motor für Wachstum, Innovation, Beschäftigung und soziale Integration. Um Deutschland und Europa krisenfest und robuster gegen äußere Einflüsse zu machen, brauche es gerade für den Mittelstand mehr Planungssicherheit. „Natürlich können wir uns in Europa nicht abschotten", man müsse aber genau darauf schauen, wo die Produktion angesiedelt sei, ohne dass hier die Räder still stehen. Beispiele seien etwa die Medikamentenproduktion oder die Rolle von Taiwans Chip-Industrie. Ein zentrales Thema ist ebenso das Erreichen einer größeren Unabhängigkeit in der Energieversorgung. Die Freien Demokraten setzen verstärkt auf Freihandelsabkommen. Auf europäischer Ebene müsse man noch besser abgestimmt und dadurch schneller agieren, sagte die Europaabgeordnete. Was die wirtschaftliche und digitale Transformation angehe, müsse damit ein Abbau der Bürokratie einhergehen: "Jeder Euro, der nicht in die Bürokratie fließt, kann in Innovation und Transformation fließen." Was den Fachkräftemangel im Mittelstand angeht, plädierte Beer dafür, einen stärkeren Fokus auf die MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) und die duale Ausbildung zu setzen. Die gezielte Einwanderung von Fachkräften sei neben der Förderung des eigenen, Potenzials zudem ein wichtiges Instrument, dem Mangel entgegenzuwirken.

Weitere Konfliktherde im Blick behalten

Renata Alt, Bundestagsabgeordnete der FDP im Wahlkreis und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, betonte, man müsse sich neben der Unterstützung der Ukraine auch auf deren Wiederaufbau vorbereiten. Die Kriegsverbrechen müssten vor ein internationales Gericht gestellt werden. Zwingend im Blick behalten müsse man weitere aktuelle Konfliktherde wie Chinas Vorhaben, „sich Taiwan wieder einzuverleiben": „Auch Putin haben wir nicht gut genug zugehört, als er seine Vorhaben immer wieder angekündigt hat. Man hat es nicht ernst genommen. Vor diesem Hintergrund darf man die Drohungen Chinas jetzt nicht ignorieren", so der Appell. Hierzulande sollte man sich mit "mehr Mut und Selbstbewusstsein" gegenüber China positionieren, betonte Renata Alt mit Blick auf die wirtschaftlichen Verbindungen zahlreicher Unternehmen zu China, auch jener im Landkreis Esslingen.

Bürgermeister Günter Riemer thematisierte die viel kritisierte nationale und internationale Verteilungsregelung der Flüchtlinge, die nicht zuletzt für die Kommunen eine erhebliche finanzielle und organisatorische Belastung bedeute: „Diese Verteilung muss neu überdacht werden."

 

Zur Person:

Nicola Beer, Jahrgang 1970, ist seit 2019 Vizepräsidentin und Mitglied des Europäischen Parlaments und darüber hinaus stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Demokraten. Sie war Mitglied des Deutschen Bundestags von 2017 bis 2019 und Generalsekretärin ihrer Partei von 2013 bis 2019. Zuvor war Nicola Beer Mitglied des Hessischen Landtags, von 2012 bis 2014 Hessische Kultusministerin und von 2009 bis 2012 Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten im Hessischen Staatsministerium der Justiz, für Integration und Europa. Nicola Beer trat 1988 bei den Jungen Liberalen Frankfurt ein, 1991 in die FDP. Der Wahlkreis der selbstständigen Rechtsanwältin ist Frankfurt am Main.