Kirchheim

Gemeinsame Sache mit dem Gegner

Geburtstag Die Kirchheimer Fußball-Größe Werner Hund wird am kommenden Montag 70 Jahre alt. Als Jugendlicher schaute er mit der heutigen Oberbürgermeisterin Europapokalspiele an. Von Thomas Pfeiffer

Werner Hund vor dem Kirchheimer Wachthaus: Als kleiner Junge brachte er seinem Vater dorthin jeden Tag das Mittagessen.Foto: Mar
Werner Hund vor dem Kirchheimer Wachthaus: Als kleiner Junge brachte er seinem Vater dorthin jeden Tag das Mittagessen.Foto: Markus Brändli

Wer mit Ex-Stadtrat, Ex-Geschäftsmann und Ex-Fußballer Werner Hund eine Reise in die Kirchheimer Vergangenheit unternimmt, der bekommt manch spritzige Episode aufgetischt. Und zwei Speisezettel von 1953 geliefert. „Damals gab es als Mittagessen Gaisburger Marsch oder Linsen mit Spätzle, dazu Apfelmost. Meinem Vater, einem Polizisten, musste ich jeden Tag das Essen in einem Warmhaltebehälter ins Wachthaus bringen. Deshalb weiß ich das ganz genau“, sagt der Erzähler. Die Leiden des jungen Werner, der in nicht einfachen Nachkriegszeiten als zweibeiniger Essen-Transporter einen Fußmarsch durch unwegsames Gelände und die halbe Stadt machen musste, hielten sich allerdings in Grenzen: Nur eine Viertelstunde dauerte sein von der Mutter befohlener Botengang von der Wilhelm- in die Marktstraße. Denn sportlich war er schon damals.

 

Oder die Pointe bei den Fußballabenden im Nachbarhaus Matt. Fernsehgeräte besaßen am 26. April 1961 die wenigsten, und als in der ARD kurz nach acht die ­Live-Übertragung des Landesmeister-Pokalwettbewerbes zwischen dem Hamburger SV und dem FC Barcelona lief, da guckte auch der Kirchheimer Normalsterbliche in die Röhre. Nicht so Werner Hund, der mit Kicker-Kumpels die Erlaubnis hatte, das Wohnzimmer im Nachbarhaus zu betreten, wo neben einem Schwarz-Weiß-Fernseher auch Sprudel und Knabbergebäck auf die jugendliche Fangemeinde warteten. Mit am Tisch bei den Europapokal-Übertragungen saß mit der achtjährigen Angelika die Tochter des Hauses. Gespannt verfolgte das Mädchen den HSV, doch der schied aus. Dafür machte Jung-Geli ihren Weg: 42 Jahre später war aus ihr die Kirchheimer Oberbürgermeisterin geworden.

 

„Aufregende Fußballabende“ erlebte Werner Hund damals - Abende, die emotional unter die Haut gingen und in ihn eine Leidenschaft implantierten, die bis heute anhält. „Derzeit trainiere ich zusammen mit Norbert Krumm beim VfL Kirchheim donnerstags Flüchtlinge, natürlich ehrenamtlich“, sagt er. Wobei er momentan außer Gefecht ist: Vermutlich beim Tennis zog er sich eine Meniskusverletzung zu und wurde bereits operiert. Die Krücken hat er seit wenigen Tagen abgelegt.

 

Fast ein Dutzend Einsätze hat Werner Hund in der württembergischen Auswahlmannschaft ab 1965 absolviert - für den langjährigen Viertliga-Torhüter des VfL Kirchheim war das neben der Teilnahme am Kirchheimer „Jahrhundertspiel“ 1976 in Heidenheim vor 6 000 Zuschauern der größte sportliche Erfolg. Seine unbändige Leistungsbereitschaft machten ihn zum Fan- und Funktionärsliebling gleichermaßen. Gönner steckten ihm nach einem gewonnenen Zweitamateurliga-Spiel in den 70er-Jahren schon mal einen 20-Mark-Schein zu.

 

Bekannt durch den Fußball und ein eigenes Sportgeschäft, stieg Werner Hund nach 1994 zu einem der Protagonisten in Kirchheim auf - in dieser Zeit saß der frühere Einzelhandelskaufmann mit Abitur im Gemeinderat und kämpfte mit seiner Partei um eine Reduzierung der Pro-Kopf-Verschuldung von 12 000 Mark. Kurios ist allerdings, wie er als politischer No-Name-Mann den Weg ins Gremium überhaupt finden konnte: erst nach einem gemeinsamen Wahlkampf mit dem CDU-Kollegen Siegfried Pöschl. Hunderte von Informations-Flyern mit der Aufschrift „Wir sind Freunde“ steckten sie damals in die Briefkästen - am Ende reichte das zum Doppelsieg. Beide zogen ein ins Kommunalparlament, Hund mit 6 237 Wählerstimmen sogar als fünftbester Kandidat seiner Partei direkt hinter der viertplatzierten Angelika Matt-Heidecker.

 

„Mein Engagement als Stadtrat hat mir Erfahrungen gebracht“, weiß Werner Hund heute. Gleichwohl würde der überzeugte Sozialdenker und Schröder-Kritiker den Ehrenamts-Job aus Zeitgründen kein zweites Mal mehr annehmen. Am Montag feiert er seinen 70. Geburtstag. „Wie schnell doch die Zeit vergangen ist“, sagt er.