Kirchheim

Geprägt von großer Ruhe und Tiefe

Kunst In der Galerie der Kirchheimer Kreissparkasse werden Werke des avantgardistischen Künstlers Lothar Quinte gezeigt. Eine Auswahl zeigt das Schaffen des im Jahr 2000 verstorbenen Künstlers. Von Florian Stegmaier

Große Bildräume mit klaren Strukturen sind typisch für Quintes Werke. Foto: Markus Brändli
Große Bildräume mit klaren Strukturen sind typisch für Quintes Werke. Foto: Markus Brändli

Es gab eine Zeit, da glaubte man auch in der Kunst, sich an absoluten Größen orientieren zu müssen, in und durch das Kunstwerk zum Wahren und Wahrhaftigen gelangen zu können. Einblicke in eine solche Welt von gestern, in ein authentisches Schaffen vor dem postmodernen Sündenfall gibt die Lothar Quinte gewidmete Retrospektive, die derzeit in der Galerie der Kreissparkasse Kirchheim zu sehen ist. Gezeigt wird eine repräsentative Auswahl von Malereien und Gouachen von Quintes Anfängen in den 1950er-Jahren bis zum Spätwerk der 1990er-Jahre.

Was aber heißt es, wenn Laudator Tobias Wall den Vernissagegästen Quinte als einen Künstler „von gestern“ vorstellt? Da klingt nichts Abwertendes an - im Gegenteil. 1923 im oberschlesischen Neisse geboren, gehörte der Künstler einer Generation an, die von den grundstürzenden Verwerfungen des 20. Jahrhunderts erfasst und mitgerissen wurde. Vom Stil eines HAP Grieshaber setzte er sich rasch ab, schloss sich auf der Suche nach einem Neuanfang avantgardistischen Strömungen an und wurde zu einem Vertreter des Informel.

Gegenüber der gestischen Freiheit der 50er-Jahre nimmt sich Quintes Schaffen der folgenden Dekade kontemplativ aus. Der inzwischen mit Kunstpreisen ausgezeichnete und mit Aufträgen zur Gestaltung moderner Kirchenfenster bedachte Künstler widmet sich der Serie seiner sogenannten Schleierbilder, einem meditativ gestimmten Bildtypus, der auch für die weitere Entwicklung von Bedeutung bleibt. Konstruktivistische Strahlenbilder, intensive und dynamische Verdichtungen von Form und Farbe stehen im Mittelpunkt der 70er-Jahre, die Tobias Wall zufolge als künstlerischer Höhepunkt betrachtet werden können. Ab den späten 70er-Jahren erlebt Quintes Farbpalette eine Intensivierung, die sich dem Eindruck seiner Indienreisen verdankt. Goa sollte für ihn zu einer zweiten künstlerischen Heimat werden.

Stärke, Entschiedenheit und Bescheidenheit stellte Wall als grundsätzliche Attribute von Quintes Schaffen heraus. Gerade die Bildräume der späten Schaffensphase seien von großer Ruhe und Tiefe geprägt, die als innerer Raum, als Seelenräume zu erschließen seien. Eingespielte Musik des lettischen Komponisten Arvo Pärt diente Tobias Wall hier als emphatischer Kontrapunkt, der eine sakrale Aura auf Quintes Bilder übertrug. Geradezu aufgeladen sei die Retrospektive von den gestrigen Zeiten des künstlerischen Ringens im frühen 20. Jahrhundert. Doch habe aus diesem Kampf heraus das Werk schließlich seine Ruhe in sich selbst gefunden und sei, wie Tobias Wall versicherte, zu zeitloser Gültigkeit gelangt.

 

„Lothar Quinte“ - Werke von 1958 bis 2000 ist noch bis 14. Juli in der Galerie der Kirchheimer Kreissparkasse zu sehen.