Kirchheim

Gewalt gegen Retter

Arbeitsbedingungen Ehrenamtliche Helfer müssen sich immer mehr Beleidigungen bei ihren Einsätzen anhören.

Gewalt gegen einsatzkräfte, Polizei, Rettungsdienst, DRK, Angriff, Selbstschutz
Gewalt gegen einsatzkräfte, Polizei, Rettungsdienst, DRK, Angriff, Selbstschutz

Kirchheim. Markus Brändli ist seit 1979 beim DRK, seit 1983 im Rettungsdienst. In Böblingen hat er angefangen, seit 2000 arbeitet er in Kirchheim. Bei Schichtbeginn checkt er das Auto und wartet dann auf den nächsten Einsatz. Fünf- bis zwölfmal pro Schicht rückt er mit den Kollegen aus. „Insgesamt ist die Gewalt gegen Retter schleichend angestiegen. Die vergangenen zehn Jahre ist es aber deutlich mehr geworden“, sagt der Sanitäter.

Vor allem das Verhalten der Leute befremdet ihn immer mehr. „Das ist in den letzten fünf Jahren drastisch schlechter und unangenehmer geworden. Es gibt eine generelle Unfreundlichkeit, die Menschen sind unleidig, pampig und schwierig im Umgang“, sagt er mit einer gewissen Resignation und Bedauern. Normale Umgangsformen vermisst er zusehends. „Früher sind die Negativen aufgefallen, heute ist es fast umgekehrt“, findet er die Entwicklung erschreckend.

Er registriert mittlerweile eine überdimensionierte Anspruchshaltung. „Die Leute erwarten von uns ein Wunder - wir bringen sie kurz zum Durchchecken ins Krankenhaus und dann ist alles gut. Wenn wir ihnen aber raten, bei 38 Grad Fieber Hausmittel anzuwenden, rasten sie völlig aus - und wehe man macht mit der Trage einen Kratzer in die Türe“, zählt er Beispiele auf. Die Vollkasko-Mentalität breite sich immer mehr aus.

„Früher bin ich ohne Angst überall hingefahren und reingegangen, heute nicht mehr. Der Rettungsdienst ist nicht mehr nur ,der Gute‘. Je nach aufgeheizter Stimmung ist es inzwischen normal, dass man bedroht oder beschimpft wird - egal ob vom Professor oder einem Arbeitslosen“, sagt Markus Brändli. Dabei reiche es schon, wenn man nach Ansicht der Patienten zu spät komme. Als er einem verunglückten, auf der Straße liegenden Motorradfahrer helfen wollte, ist ihm ein Auto über den Fuß gefahren. „Man hat den Eindruck: Jeder ist sich selbst der nächste, keiner kann eine Sekunde warten.“

Er selbst wurde auch schon mit einem Messer und Baseballschläger bedroht. Das seien dann in der Regel psychisch kranke Menschen oder Betrunkene. „Es gibt Bezirke in Frankfurt oder Berlin, da fährt der Rettungsdienst zu bestimmten Uhrzeiten nur noch mit Polizeibegleitung hin“, sagt Markus Brändli. Beim Stichwort Rettungsgasse schüttelt er nur den Kopf. „Die Autos fahren hinter dir her, und die Lkw fahren durch und blockieren damit alles“, zeigt er ein düsteres Bild auf. „Beleidigungen und Beschimpfungen sind inzwischen fast normal. Die Leute stumpfen völlig ab - und verleiden einem jeglichen Spaß da draußen.“ Iris Häfner