Kirchheim
Glaskunst und geometrische Strenge

Kunst Werke des Weilheimer Künstlers Gerhard Dreher sind als Teil des Kirchheimer Kunstwegs im Foyer der Stadthalle in Kirchheim präsent. Von Florian Stegmaier

Don’t judge a book by its cover!“, warnt ein englisches Sprichwort. Voreilige Schlüsse nach dem äußeren Erscheinungsbild zu ziehen, wird auch der Kirchheimer Stadthalle nicht gerecht. Zugegeben – ihre zweckmäßigen Betonformen versprühen wenig Charme. In ihrem Inneren birgt Kirchheims „gute Stube“ jedoch einen Konzertsaal, der gerne für Tonaufnahmen genutzt wird und dessen Akustik Musiker von Weltruhm begeistert.

Dass die Stadthalle auch Freunden der bildenden Kunst einiges zu bieten hat, ist hingegen weniger bekannt. Mit seinem über 30 Meter breiten Glasbild hat sich Gerhard Dreher im Foyer der Stadthalle verewigt.

1924 in Enzberg geboren, zählt Dreher zu den wichtigsten Glaskünstlern der Nachkriegszeit. Farbintensive Glasfenster schuf er nicht nur für den Chor der Peterskirche in Weilheim, wo er sich 1949 als freischaffender Künstler niederließ. Auch Nürtingen, Esslingen und Ludwigsburg schätzten seine Fähigkeiten und vergaben Aufträge für Kunst am Bau.

Doch Drehers Schaffen blieb nicht auf die heimische Region beschränkt. Frankfurt, Düsseldorf oder Wuppertal sind nur einige Städte, in denen er sakrale und profane Bauten künstlerisch gestaltete. Exemplarisch sei die beeindruckende Glaswand der Trinitatiskirche in Endenich bei Bonn genannt. Dort vergegenwärtigt ein großformatiges Glasmosaik die Vision vom himmlischen Jerusalem, ein Motiv aus der Johannes-Apokalypse. Diese imposante Arbeit hat der Künstler 1964 gemeinsam mit seiner Frau Gisela Dreher-Richels verwirklicht.

14 Jahre später entstand das Kirchheimer Glasbild mit seiner detailreichen, gleichwohl strengen Komposition. Trotz der rigiden Beschränkung auf geometrische Grundformen ist das lichtdurchflutete Werk reich an Assoziationen. Es weckt Anklänge an den Albtrauf, ruft Bezüge zu Architektur auf.

Bedeutung als Objektkünstler

Ist Drehers Glaskunst somit bereits seit den späten 70er-Jahren integraler Bestandteil der Stadthalle, erinnert ein anderes Werk erst seit Kurzem daran, dass er auch als Objektkünstler von Bedeutung war. Dominant ist Drehers „Metallkugel“ im Foyer platziert. Mittels geometrischer Grundformen bewegt Dreher hier die bildhauerisch elementaren Parameter von Positiv- und Negativform. Der Präsenz eines kubischen Volumens ist die ausgesparte Kugel einverleibt.

Das Konzept, Raumerfahrung auf ihre elementaren Qualitäten zu reduzieren, ist ästhetisch ebenso bestechend, wie es sich im prosaischen Alltag als vermittlungsbedürftig erweist. Denn der Status als Kunstwerk erschließt sich nicht allen Stadthallenbesuchern von selbst. So wurde bereits gemutmaßt, ob es sich bei dem nicht näher bezeichneten Metallobjekt um ausgewechselte Teile der städtischen Klimaanlage handele.

Dem Deutungsdefizit soll in Kürze eine Tafel mit Informationen zum Werk Gerhard Drehers Abhilfe schaffen. So könnte die Drehersche Metallkugel bis zum 100. Geburtstag ihres Schöpfers im kommenden Jahr noch ihren festen Platz als Kunstwerk in den Augen der Öffentlichkeit finden.