Kirchheim

Glaube und Gesundheit verbinden

Vortrag Der Mediziner Eckhard Nagel warnt davor, Leben und Tod verfügbar zu machen. Nur Gott mache das möglich, was Menschen nicht können. Von Peter Dietrich

Der Mediziner Eckhard Nagel spricht in der Kirchheimer Auferstehungskirche zum Thema „Glaube und Gesundheit“. Foto: Peter Dietri
Der Mediziner Eckhard Nagel spricht in der Kirchheimer Auferstehungskirche zum Thema „Glaube und Gesundheit“. Foto: Peter Dietrich

Was hat die eigene Vorstellung, der eigene Glaube mit Gesundheit zu tun? Das war das Thema des Bayreuther Transplantationsmediziners und Gesundheitswissenschaftlers Professor Eckhard Nagel in der Auferstehungskirche in Kirchheim. Doch am Anfang mussten die Besucher warten, denn der Referent war nicht da. Eckhard Nagel hatte gedacht, er müsse zum Vortrag nach Kirchheim bei München. Erst am Nachmittag hatte er erkannt, dass er ja in Kirchheim unter Teck erwartet wurde. Angesichts dieses Irrtums waren seine nur 20 Minuten Verspätung eine logistische Meisterleistung.

Veranstaltet wurde der Vortrag vom Evangelischen Bildungswerk, dem Kreisdiakonieverband und der Stadtkirchengemeinde.

Der Mediziner warnte bei seiner Rede davor, Gesundheit als Spiegel des Glaubens zu verstehen, einen automatischen Heilungsmechanismus anzunehmen: „Wenn dann jemand krank ist, wäre es ein Mangel an Glauben.“ Werde dann jemand nicht geheilt, könne auf das körperliche Leiden zusätzlich die spirituelle Krise folgen. Was Eckhard Nagel aufgefallen ist: „Die Heilung ist in den Evangelien immer an die Gegenwart Jesu gebunden. Die Evangelien berichten von keinem anderen Fall.“

Der Arzt plädierte dafür, in der Medizin das christliche Menschenbild zu bewahren. Das sei beim enormen Druck, unter dem das Gesundheitssystem stehe, umso wichtiger. „Die ökonomische Rationalität hat Einzug gehalten, Menschen haben ihr Vertrauen verloren. Wir brauchen klare ethische Leitlinien.“ Ein Vorbild sei für ihn Albert Schweitzer: „Er hat sich gescheut, irgendwas Lebendigem Schaden zu tun, das Leben war ihm heilig.“

Zwei seiner drei Kinder hat Eckhard Nagel durch Kindstod verloren. Zweifel gehöre zum christlichen Glauben dazu, sagte er, in diesem lerne man Gottes Gegenwart neu zu schätzen. „Wir haben einen Gott, der um uns trauert. Wir leben in der Gewissheit des Glaubens, nicht alleine zu sein.“ Das eigene Leid hat Eckhard Nagel sensibel gemacht, er kann auch mit einem Patienten weinen. Er wollte ursprünglich Kinderarzt werden. „Jeden Abend kam ich von der Kinderintensivstation verzweifelt nach Hause.“ Er wandte sich der Chirurgie zu, ist heute ein Spezialist für Organtransplantationen bei Kindern und sieht es als glückliche Fügung an. Denn die Transplantation sei eine der statistisch erfolgreichsten Therapien. „Heute hat sich eine junge Frau bei mir für das Studium der Gesundheitsökonomie beworben. 2005 habe ich ihr eine Leber transplantiert.“

Er schilderte, wie er im Sommer 2015 am Bett eines leidenden jungen Mannes saß, nach einer Nierentransplantation musste er ihm später einen Arm amputieren. „Ich wurde mir bewusst, wie wenig ich für meinen Patienten tun kann.“ Anfang 2016 wurde dieser junge Mann immer schwächer, es gab keinen Therapieansatz mehr. „Wir haben die Kontrolle aufgegeben, alle Medikamente weitgehend abgesetzt.“ Doch dann kehrte das Leben zurück - der Patient gewann Witz und Zuversicht und wurde entlassen. „Was bei Menschen unmöglich ist, ist bei Gott möglich.“

„Der Mensch darf nicht über das Leben entscheiden“, betonte der Mediziner. „Bei der Todesstrafe lehnen wir das zu Recht ab.“ Vom aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum selbstbestimmten Tod ist Eckhard Nagel enttäuscht. Die Grenzen würden verschoben: In den Niederlanden sei das Gesetz anfangs nur für Schwerstkranke gedacht gewesen, heute gehe es schon um Gesunde, die keine Lust zum Leben mehr hätten.

Intensiv fragten die Zuhörer nach, auch wie es dem erwähnten jungen Mann gehe. „Er wurde nochmals transplantiert und liebt es, Trecker zu fahren.“

Nagel über Organspende

„Ich sehe die Menschen, die mit einer Transplantation leben, und 90 Prozent davon leben noch nach einem Jahr.“ Er ist nicht für die Widerspruchslösung, aber für eine Entscheidungspflicht, so bleibe keine Unsicherheit zurück. Für eine Organspende kommen nur wenige Menschen infrage: „In Deutschland sterben jährlich etwa 800 000 Menschen. Davon sind es vielleicht 10 000, die auf einer Intensivstation mit Beatmung sterben und keine Vorerkrankungen wie Krebs haben. Alter ist kein Ausschlussgrund, wir haben ja auch ältere Menschen, die ein Organ empfangen.“ Er erklärte die beiden sicheren Anzeichen für den Tod - den Herz- mit der darauffolgenden Todesstarre oder den Hirntod, etwa nach einem Unfall.pd