Kirchheim
Gleich zwei Chöre singen gemeinsam in der Kirche

Konzert Der Kammerchor Kirchheim und der „JazzPop-Chor Tübingen“ traten nach langer Corona-Pause wieder vor Publikum auf. Von Ulrich Kernen

Ein Zusammentreffen zweier Chöre ist immer reizvoll. Im Konzert in der Kirchheimer Martinskirche waren es der Kammerchor Kirchheim unter der Leitung von Ralf Sach und der „JazzPop-Chor Tübingen“ unter der Leitung von Julian Knörzer und mit dem Solisten Morten Winter Sørensen. Die Kirchheimer sangen von der Chorempore herunter, ausgestattet mit funkelnder LED-Notenbeleuchtung.

Nach zweijähriger Zwangspause galt es, musikalisch wieder Fuß zu fassen. Dafür hatte man vier Großmeister aus vier Epochen ausgewählt: ein Madrigal aus dem Jahr 1587 von Monteverdi stand für die Renaissance. „Ihr lieblichste Blicke“ von Johann Sebastian Bach vertrat das Barock. Das Frühlingslied „Unsre Wiesen grünen wieder“ von Mozart klang klassisch, und aus der Romantik stammten zum Schluss zwei Lieder von Johannes Brahms.

Da keine Textblätter zur Verfügung standen und die hallige Kirchenakustik für große Klangmischungen und reichlich Nachhall sorgte, konnte man kaum verfolgen, worum es in den Werken ging. Ein hastiger Blick aufs i-Phone kurz vor dem Konzert brachte etwas Klarheit: Das Lob des Schöpfers, der im Frühling die Natur wieder weckt, passte thematisch als einziges in den Kirchenraum. Die anderen handelten von Liebessehnsucht und -schmerz. Der Schlusschor der Bach’schen Jagdkantate enthielt gar einen kräftigen Geburtstagshymnus auf Fürst Christian von Sachsen.

Mit raschem Tempo ging es zu Beginn in den Monteverdi, wo noch Unschärfen in der Intonation zurechtgerückt wurden. Der Hymnus von Bach war wegen seiner hohen Stimmlage recht anspruchsvoll, hier zeigte sich doch, dass die Zweijahrespause nicht ohne Spuren blieb. In den drei entspannteren Schlussstücken hatte sich der Chor freigesungen und man ahnte wieder sein altes Niveau.

Der zweite Konzertteil nahm dann ein Mehrfaches an Raum ein. Der „JazzPop-Chor“ bestand aus Studierenden der Hochschule für Kirchenmusik Tübingen. Er bot ein geschlossenes Programm. Das war die Frucht aus einem zweijährigen Projekt zum Thema „human“, das in viele Facetten aufgefächert wurde. Der Dirigent kommentierte die einzelnen Werke und erläuterte ihren Stellenwert im Gesamtprojekt. Der Solist Morten Winter Sørensen spielte in dem Gesamtkunstwerk eine wichtige Rolle. Außerdem wurden in kurzen Rezitationen vor den Werken Denkanstöße zu den Stücken gegeben. Die Aufführung wurde überdies elektronisch gelenkt und verstärkt (Timo Kentner).

Hier muss man fairerweise feststellen, dass beide Konzertteile nicht vergleichbar waren. Die Tübinger konnten mit etlichen Besonderheiten aufwarten: Sie sangen alle Stücke auswendig – eine bravouröse Leistung, die von intensiver Beschäftigung mit der Musik zeugt. Daraus ergab sich auch eine beeindruckende Geschlossenheit. In fünf eingeschobenen Improvisationen trat der Solist mit seiner weichen und klaren Stimme in Kontakt mit dem Chor, der den klanglichen Hintergrund bildete. In diesen freien Teilen wurde man mehr als einmal überrascht, zum Beispiel durch einen zerfließenden Cluster und hie und da durch unendlich lange Steigerungen und weit gedehntes Verklingen. Die dazwischenliegenden Songs verlangten permanente Rhythmuswechsel. Da waren Chor und Solist in ihrem Element; man hatte nirgends den Eindruck, dass da etwas Heik­les und Riskantes im Spiel war. Immer spürte und genoss man das freie, lustvolle gemeinsame Musizieren.

Die Bandbreite des Projektthemas war groß: vom schlichten Liedchen „Kleiner grauer Falter“ bis zum ausladenden „nothing compares 2 You“. Immer wieder rissen diese rasanten „Lieder ohne Worte“ die Zuhörerinnen und Zuhörer zu begeistertem, mehr oder weniger störendem Klatschen mit.

Gemeinsames Singen beider Chöre beschloss das Konzert: ein einfaches Zusammenklingen von „Herr, bleibe bei uns“ und „Der Mond ist aufgegangen“. Schlichtheit hat auch ihren Charme!