Kirchheim

Große Namen - aber es fehlen überall noch die „Täfele“

Stadtführung Andreas Kenner klärt auf der Tour mit Andreas Schwarz über die Herkunft vieler Straßennamen auf.

Andreas Schwarz (rechts) und Andreas Kenner führen gemeinsam durch ihre Stadt: durch Kirchheim. Foto: Carsten Riedl
Andreas Schwarz (rechts) und Andreas Kenner führen gemeinsam durch ihre Stadt: durch Kirchheim. Foto: Carsten Riedl

Kirchheim. Im weitesten Sinn haben mit dem Verkehr auch die Straßenschilder zu tun, auf deren Herkunft beim gemeinsamen Spaziergang mit Andreas Schwarz vor allem Andreas Kenner ein­ging. Der erste Name, an den beide erinnerten, war der des CDU-Politikers Eugen Gerstenmaier - gebürtiger Kirchheimer und bis heute mit über 14 Jahren, von 1954 bis 1969, der Bundestagspräsident mit der längsten Amtszeit. Nach wie vor erinnert das einstige Abgeordnetenhochhaus in Bonn namentlich an Gerstenmaier: Es heißt allgemein „langer Eugen“. In seiner Geburtsstadt ist der Bahnhofsvorplatz nach ihm benannt.

Der Name für die Straße davor erinnert an Jakob Friedrich Schöllkopf - einen Kirchheimer Gerber, der im 19. Jahrhundert in den USA ein erfolgreicher Geschäftsmann war. Selbst die Wasserkraft der Niagarafälle wusste er für die Stromerzeugung zu nutzen.

Auf Hermann Hesse würde Andreas Kenner gerne den Kreisverkehr an der ehemaligen Krone taufen - wenn an dem einstigen Gasthaus schon kein „Täfele“ an ihn erinnert. Dort hatte sich Hesse 1899 in Julie Hellmann, die Nichte der Wirtsleute verliebt. Als „Lulu“ hat er Julie literarisch verewigt. Schon fast sarkastisch meinte Andreas Kenner: „Man kann ja nicht gleich für jeden Nobelpreisträger eine Tafel anbringen.“

In der Innenstadt gab es von 1933 bis 1945 teils noch ganz andere Straßennamen. Sie waren führenden NS-Größen gewidmet. Die beiden Landtagsabgeordneten erklärten unter anderem deswegen, dass sie die heutige Regelung für richtig halten: Nur postum kann jemand zur Ehrung eines Straßennamens kommen, frühestens 20 Jahre nach dem Tod.

Letzteres ist kein Problem bei einstigen württembergischen Prinzessinnen wie Sophie und Marie - Töchter König Wilhelms I. von Württemberg und seiner geliebten zweiten Ehefrau Katharina Pawlowna. Sophie brachte es durch Heirat auch selbst zur Königin: in den Niederlanden.

Trotzdem teilen sich Sophie und Marie in Kirchheim ein gemeinsames Schicksal - wie mit so vielen anderen auch mit Obervogt Sebastian Welling aus dem frühen 17. Jahrhundert. Sie haben eine Straße, aber es fehlt das „Täfele“. Lediglich bei der Brandstraße ist das anders. Da gibt es eine Tafel, und die sei vor allem für die Unterscheidung wichtig, meint Andreas Kenner: „Die Straße heißt so wegen dem Stadtbrand von 1690, nicht wegen Willy Brandt.“

Was bleibt als Trost für Andreas Schwarz und Andreas Kenner - wenn zu Lebzeiten keine Straße nach ihnen benannt wird? „Wir haben ja schon die Kreuze an den Bahnübergängen.“ Andreas Volz