Kirchheim

Große Veränderungen wagen

Gesellschaft Mit Vorschlägen zu einer sozial-ökologischen Transformation versucht Hans Thie, neue Wege einer zukunftsfähigen Politik aufzuzeigen.

Dr. Hans Thie zeigt sich in der Kirchheimer Christuskirche davon überzeugt, dass ein gutes Leben für alle im Einklang mit der Natur möglich ist. Foto: Hans Dörr

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland und weltweit würde ein gutes Leben für alle im Einklang mit der Natur wählen, wenn sie diese Wahl tatsächlich hätte“, behauptete Dr. Hans Thie in der Christuskirche Kirchheim.

Eingeladen zur Veranstaltung unter der Überschrift „Echte Demokratie wagen: Was würden wir tun, wenn wir Wirtschaft & Gesellschaft gestalten könnten?“ hatte der Rosa-Luxemburg-Club Kirchheim in Kooperation mit den Erwachsenbildungseinrichtungen der evangelischen und der katholischen Kirche, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

 

Statt Konkurrenz und bewaffneten Kampf brauchen wir globale Kooperation.
Dr. Hans Thie
 

Der Referent, Soziologe und Volkswirt, mehr als zehn Jahre Redakteur beim „Freitag“ und danach bis April 2022 15 Jahre lang wirtschaftspolitischer Berater der Bundestagsfraktion der Links-Partei, entwarf das Programm eines grundlegenden sozial-ökologischen Umbaus von Gesellschaft und Wirtschaft.

Positive Visionen

Angesicht der sozial-ökologischen Krisen der Gegenwart und vor allem der drohenden Klimakatastrophe fragte Thie: „Woran liegt es, dass das Mögliche nicht Wirklichkeit wird?“ und lieferte folgende Antwort: „Appelle an die Politik und an die Konsumenten bringen uns nicht weiter. Statt Konkurrenz und bewaffneten Kampf um Dominanz und Ressourcen brauchen wir globale Kooperation. Wir müssen gleiche Lebensrechte für alle Menschen garantieren, statt extreme Ungleichheit zu akzeptieren. Statt Börsen, Banken und Konzernen das Feld zu überlassen, müssen die wir die Wirtschaft in gerechte und nachhaltige Bahnen lenken.“ Nur mit einer positiven Vision, die der Referent sehr konkret ausbuchstabierte, hätte man die Chance, die auf die Gesellschaft zurollenden Gefahren „wirkungsvoll, schnell und mit breitem Engagement zu begrenzen“.

Seine These, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland für sein Programm aufgeschlossen sei, belegte Dr. Hans Thie unter anderem mit den Ergebnissen einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar (früher Emnid) aus dem Jahr 2022. Dort hätten 71 Prozent der Befragten formuliert, sie erwarteten von der Politik einen umfassenden Plan.

Auf die skeptische Frage aus dem Publikum, ob sein Zukunftsbild denn eine Umsetzungschance habe, angesichts der realen politischen Verhältnisse in Deutschland und weltweit, meinte Thie: Einen Umbau-Konsens in der Gesellschaft zu erreichen und Allianzen für seine Umsetzung zu schmieden, sei sicherlich sehr schwer. Dem Programm stünden mächtige Interessen entgegen: das große Geld, die Konzerne, die Medienmacht – und die Beschränkung der Parteien und der Gewerkschaften auf das, was realistisch erscheine. Hinzu kämen die Zwänge der EU-Einbindung und der weltwirtschaftlichen Verflechtung. Wer aber die Warnungen der Klimawissenschaft ernst nehme, müsse große Veränderungen wagen. Er setze große Hoffnung in die Klima- und Umweltbewegung. Die müsse aber konsequenter, mutiger und sozialer in ihren Forderungen werden. pm