Kirchheim

Großeinsatz auf dem Kirchheimer Milcherberg endet mit Festnahme eines 37-Jährigen durch SEK

Ausnahmezustand Spezialkräfte der Polizei haben in Kirchheim einen 37-Jährigen festgenommen. Der polizeibekannte Mann hatte sich zuvor über Stunden in einem Haus auf dem Milcherberg verschanzt. Von Bianca Lütz-Holoch und Anke Kirsammer

Die Einsatzkräfte waren mit Scheinwerfern und einem teilgepanzerten Fahrzeug vor Ort. Foto: Marcel Heckel

Es ist etwa 0.30 Uhr, als die Durchsage aus dem Polizeilautsprecher tönt: „Bitte kommen Sie mit erhobenen Händen aus dem Haus.“ Ein Scheinwerfer durchbricht zwei Mal die Dunkelheit. Wenig später ist der Spuk vorbei: „Das SEK ist ins Haus eingedrungen und hat den Mann festgenommen“, meldet Michael Schaal, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen, um 0.45 Uhr. Mit der Festnahme endet ein stundenlanger Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr, Rettungs- und Spezialkräften auf dem Kirchheimer Milcherberg. In dessen Zentrum: Ein 37-jähriger Kirchheimer, der sich in einem Reihenhaus verschanzt hat und sich laut Polizei an dem Abend in einem psychischen Ausnahmezustand befindet.

 

„Man muss mit allem rechnen.
Michael Schaal
Pressesprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen 
 

Dass ein solch immenses Aufgebot an Einsatzkräften vor Ort ist – neben etlichen uniformierten Polizisten und dem SEK sind auch die Kripo und Scharfschützen dazugerufen worden – hat noch andere Gründe. „In der Vergangenheit ist der Mann wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz auffällig geworden“, klärt Michael Schaal auf. Auch wollen Nachbarn Schüsse gehört haben. „Man muss mit allem rechnen und gewappnet sein“, betont der Pressesprecher: „Die Situation erfordert einen solch großen Einsatz.“


Alles beginnt am Dienstagabend mit einem medizinischen Notfall. Zunächst wird das DRK zu dem 37-Jährigen gerufen, weil es ihm nicht gut geht. Die Rettungskräfte wiederum holen die Polizei. Weil nicht klar ist, ob der Mann eine Waffe oder Sprengstoff im Haus hat, sperren die Beamten den Milcherberg großräumig ab. Die direkten Nachbarn werden vorsichtshalber evakuiert. Den ganzen Abend über versuchen die Einsatzkräfte Kontakt zu dem 37-Jährigen herzustellen – ohne Erfolg.

Keine Gefahr für die Bevölkerung

Hektisch oder laut wird es nie. Der gesamte Einsatz geht ruhig über die Bühne. „Es besteht keine Gefahr für die Bevölkerung“, versichert Michael Schaal. Dass die Situation alles andere als entspannt ist, spüren die vereinzelten Zaungäste trotzdem. Immer mehr Rettungsfahrzeuge sammeln sich auf dem Milcherberg und den umliegenden Straßen. Gegen 23 Uhr rollt die Feuerwehr die Schläuche aus. Kurze Zeit später tauchen zwei Scharfschützen auf. Um Mitternacht schließlich gehen die Laternen aus, und der Cranachweg liegt plötzlich in völliger Dunkelheit. „Wir schalten sicherheitshalber den Strom und das Gas aus, bevor wir ins Haus eindringen“, erläutert Michael Schaal: Der Zugriff steht kurz bevor.

So unaufgeregt der Einsatz in den Stunden vor der Festnahme gewirkt hat, so unaufgeregt geht er auch zu Ende. Gegen 0.50 Uhr gehen die Straßenlaternen wieder an, Gruppen von Einsatzkräften lösen sich auf, und die ersten Fahrzeuge treten den Heimweg an. Die gute Nachricht: „Es hat keine weiteren Komplikationen gegeben“, sagt Michael Schaal. Verletzt wurde nach aktuellem Stand niemand.

Zugriff mithilfe der Baupläne

Aufatmen auch bei Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer. „Ich bin froh, dass alles gut ausgegangen ist“, sagt er. Den ganzen Abend über hatte er den Einsatzkräften zur Seite gestanden. „Die Polizei hat mich angerufen und gefragt, ob wir Baupläne von dem Haus haben, in dem sich der Mann verschanzt hat.“ Riemer organisierte die Unterlagen und brachte sie mit zum Einsatzort. „Anhand der Pläne wurde der Zugriff geplant“, so der Bürgermeister. Auch ums Ab- und Anstellen von Strom und Gas musste er sich kümmern. 

Am Ende des Abends ist Günter Riemer, ebenso wie wohl alle anderen Beteiligten auch, durchgefroren, erschöpft und erleichtert. Und um eine Erfahrung reicher – wenn auch um eine unerwünschte: „Einen SEK-Einsatz hatte ich bisher noch nicht miterlebt.“

Erleichtert ist auch Kirchheims Revierleiter Jürgen Ringhofer am Morgen. Er hatte in der Nacht den Einsatz direkt an dem Reihenhaus geleitet, in dem sich der Mann verschanzt hatte. Ein Vorteil sei der SEK-Standort in Göppingen. „Die waren schnell da“, so Ringhofer. Der ganze Einsatz mit sämtlichen Spezialkräften sei gut koordiniert gewesen und ruhig verlaufen. „Zahnrad hat in Zahnrad gegriffen.“ Als wertvoll bezeichnet er die Unterstützung Günter Riemers.

Laut Jürgen Ringhofer kam die Familie eines der beiden geräumten Häuser in der Nacht privat unter, die andere wurde in der Feuerwache versorgt. Gegen 2.30 Uhr konnte sie wieder zurück in die eigenen vier Wände, genauso die Mutter des Festgenommenen. Da gab es Entwarnung, nachdem Spürhunde das Reihenmittelhaus, in dem sich der 37-Jährige aufgehalten hatte, durchsucht hatten. „Sprengstoff wurde nicht gefunden, nur eine Schachtel mit Feuerwerkskörpern“, sagt Christian Wörner, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen. Gemäß Jürgen Ringhofer fanden die Beamten bei der Durchsuchung außerdem eine Langwaffe. Gegen 2.30 Uhr war auch sein Einsatz beendet. „Der lokale Revierleiter ist in so einem Fall immer der letzte der geht.“

 

Schon 2011 hatte der Teckbote über die Festnahme eines damals 25-Jährigen auf dem Milcherberg berichtet. Er hatte  Chemikalien und fertigen Sprengstoff in seinem Keller gelagert.  Lesen Sie mehr dazu hier: