Kirchheim
Grundschule einmal anders

Theater In der Naberner ­Zehntscheuer helfen Schüler aus vier verschiedenen Grundschulen dem Herrn Wunderle, Meis­terdetektiv zu werden. Von Ulrich Staehle

Die Welt ist aus den Fugen. Es gibt nur schlechte Nachrichten. Ganz besonders schlecht geht es den Grundschulen. Lehrkräfte fehlen, die Corona-Zeit hinterlässt Defizite, die sich bei den Kleinsten besonders bemerkbar machen.

Da freut man sich umso mehr über eine gute Nachricht von der pädagogischen Front: In Nabern wird nach Corona eine 15-jährige Tradition fortgeführt. Schauplatz ist die Zehntscheuer und beteiligt sind nicht weniger als vier Grundschulen: die aus Nabern, Bissingen, Dettingen und Neidlingen. Das ist höchst bemerkenswert und erfordert eine große Kooperationsbereitschaft. Die Fäden laufen bei Eckard Brosig und seiner Mannschaft in der Zehntscheuer zusammen. Im März finden fünf Vorstellungen statt. Und was wird geboten?

Heimelige Athmosphäre

Machen wir die Probe an einem Vormittag mit vier Klassen der Stufe eins und zwei der Dettinger Grundschule. Wohlbetreut von ihren Lehrerinnen und Lehrern nehmen die kleinen Leute auf den langen Bänken Platz. Die Holzbalkenarchitektur der Zehntscheuer schafft gleich eine heimelige Atmosphäre. Auf der Bühne befinden sich geheimnisvolle Möbel und Requisiten. Deutlich ist ein Telefon mit Kabel und ein Radio älterer Bauart auszumachen. Die Spannung steigt, das muntere Geplapper verstummt: Plötzlich steht er im Scheinwerferlicht, der Herr Wunderle alias Gerald Ettwein, in graukarierter, clownesker Hose und Schildmütze. Er wird mit großem Jubel empfangen und bittet die Kinder, ihm zu helfen. Es ist sein Wunsch, vom Kaufhausdetektiv, dessen Telefon die ganze Zeit klingelt, zum Meisterdetektiv in die Preisklasse von Sherlock Holmes aufzusteigen. Dafür muss er aber eine Prüfung machen. Dazu braucht er Hilfe. Plötzlich vermisst er seine Uhr und muss von den Kindern lauthals darauf hingewiesen werden, dass sie ihm am Hintern klebt. Ohne die Kinder geht gar nichts.

Doch Herr Wunderle hat immer wieder Zaubertricks auf Lager: Da schlagen Flammen aus dem Zauberbuch, ein Glas Sprudel steht in der Luft, da wird plötzlich eine Banane zur Pistole, mit der Herr Wunderle Requisiten umschießen kann, und plötzlich verschwindet da ein Radio. Natürlich besteht er mit der tatkräftigen Hilfe des Publikums die Prüfung. Eine Prüfungsaufgabe ist besonders anspruchsvoll: Ein Detektiv muss in verschiedene Rollen schlüpfen können: Herr Wunderle verschwindet kurz hinter einer Kulissenwand und taucht dann sofort unter großem Jubel wieder auf als Pirat, als Clown, als Hexe, als Oma, als Gespenst … Und das alles nur mit sparsamen Mitteln, etwa einem wandelfähigen Hut, einer anderen Brille oder einem Bart.

Das macht Freude: Die Kinder bekommen auf höchst vergnügliche Art Geschmack an einem handfesten Live-Erlebnis, lernen genaues Beobachten und munteres Kommunizieren. Das fördert die Erlebnisfähigkeit und die Widerstandsfähigkeit gegenüber den virtuellen Angeboten der Playstations und Smartphons, die auf sie zukommen werden.

Um das zu erreichen, sind allerdings professionelle Künstler nötig, die sich jedes Jahr im März in der Zehntscheuer abwechseln. Gerold Ettwein ist Profi. Er kann singen, Gitarre spielen, zaubern und als langjähriges Mitglied beim Melchinger Theater Lindenhof schauspielern, und das noch in original Schwäbisch. Das schafft Nähe zu seinem Publikum, das eine Dreiviertelstunde aktiv mitspielt. So nebenbei wird vielleicht auch künftiges Theaterpublikum generiert.

Es bleibt zu hoffen, dass diese hochkarätige Veranstaltungsreihe mit dieser beispielhaften Zusammenarbeit verschiedener Schulen und der Zehntscheuer auch nach einer Brosig-Ära noch weiterlebt.