Kirchheim
Grundschule: Eltern begehren auf

Bildung „Gute Schule JETZT!“: So lautet der Titel eines Volksantrags, mit dem Eltern für bessere Bildungsqualität an Grundschulen kämpfen. Das Ziel: Zwei Lehrkräfte pro Klassenzimmer. Jetzt werden Unterstützer gesucht. Von Antje Dörr

Die Initiatorinnen und Initiatoren, darunter Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer, stellen dem aktuellen Schulsystem kein gutes Zeugnis aus. „Die Bildungspolitik der vergangenen Jahrzehnte hat mit wesentlichen gesellschaftlichen Veränderungen nicht Schritt gehalten, sondern weggeschaut und allen Betroffenen ein ‚Weiter so‘ – ‚Geht doch‘ verordnet“, heißt es in dem Konzept zum Volksantrag „Gute Schule JETZT!“. In den Schulen herrsche immer noch ein überholtes Konzept aus dem vorigen Jahrhundert. „Man nehme eine Gruppe Kinder, einen Raum, einen Bildungsplan und EINE Lehrkraft, die alles richten soll.“

 

Der Lehrkräftemangel ist nicht vom Himmel gefallen, sondern einkalkuliert und vorprogrammiert.
Volksantrag „Gute Schule JETZT!“
 

Genau an diesem Punkt knüpft der Volksantrag an: Statt einer Lehrkraft sollen künftig zwei für eine Grundschulklasse zuständig sein. Die Gründe liegen für die Initiatorinnen und Initiatoren auf der Hand. „Im heutigen Schulalltag ist die Lehrkraft, die allein in der Klasse steht, mit zu vielen gleichzeitigen Aufgaben überlastet: Unterrichten, Regularien, Bewertung, Soziale Erziehung, Dokumentation, neue Schüler/-innen integrieren, Inklusion, Elternarbeit. Dazu kommen zu lösende Tagesprobleme: ein Nasenbluten, der verstorbene Opa, umgefallene Trinkflaschen, Sorgen und Nöte der Kinder“, schreiben sie. Der Unterricht, die Kinder und die Gesundheit der Lehrkraft blieben auf der Strecke. Mit einer zweiten Lehrkraft im Klassenraum könne dagegen professionell, flexibel und zielorientiert zusammengearbeitet werden. „Auf Bedarfe der Kinder kann eingegangen werden, eine Feedback-Kultur ist dann Standard. Die Lernmotivation der Kinder wird angeregt und gestärkt. Probleme können also bearbeitet, demokratische Werte gelebt, Teilhabe und Mitsprache erfahren werden.“

Melanie Brauer aus Ohmden ist eine der Unterstützerinnen des Volksantrags. Ihr Sohn besucht die erste Klasse der Grundschule. „Wir haben das Glück, dass wir in Ohmden eine kleine Grundschule haben, mit einer engagierten Rektorin“, sagt sie. Aber es gebe auch viele andere Beispiele. Mit dem Volksantrag wollen Eltern wie Melanie Brauer den Landtag dazu bringen, sich mit ihrem Anliegen auseinanderzusetzen. „Wir wollen darum bitten, dass ein verlässlicher Personalplan aufgestellt wird“, sagt Brauer. Und es müsse überlegt werden, wie man den Beruf der Grundschullehrerin beziehungsweise des Grundschullehrers attraktiver machen kann. „Das ist eigentlich ein toller Beruf. Man kann Werte an kleine Kinder weitergeben, formt die Gesellschaft mit“, sagt Brauer. 

Für die Ohmdenerin und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter beginnt jetzt das Unterschriften-Sammeln. „Wir gehen über die Elternbeiräte in die Schulen, über die Kitas, Sportvereine und über die sozialen Medien“, sagt Melanie Brauer. Jeder, der berechtigt ist, den Landtag von Baden-Württemberg zu wählen, kann unterschreiben. Mindestalter ist 16. Es werden 40 000 händische Unterschriften gebraucht. Jede Person unterschreibt auf einem eigenen Formblatt, das später kostenlos von der Heimatgemeinde beglaubigt werden muss. Es können aber auch unterschriebene Formblätter gesammelt und zum Bestätigen gebracht werden. Die Unterlagen gibt es auf www.laestigbleiben.de unter „Volksantrag Gute Schule JETZT“. Melanie Brauer glaubt, dass die 40 000er-Marke geknackt werden kann. „Wenn die Eltern wollen, dass es ihren Kindern irgendwann gutgeht in der Schule, wenn ihnen bewusst ist, dass sie durch die Unterschrift etwas bewegen können, wenn sie nicht nur sagen, ‚Ich kann nichts tun, es fehlen Lehrer‘ – dann bin ich optimistisch“, sagt sie.

„Gut, wenn eine zweite Person in der Klasse ist“

„Die Herausforderungen sind groß. Das sehe ich wie die Initiatorinnen“, sagt Thorsten Bröckel, Rektor der Alleenschule und geschäftsführender Schulleiter der Kirchheimer Schulen. Unter den Schülerinnen und Schülern gebe es Kinder mit Lernrückständen, Verhaltensauffälligkeiten, Autismus-Spektrum-Störungen und so weiter. „Da ist es gut, wenn eine zweite Person in der Klasse ist“, sagt Bröckel. Für ihn stellt sich jedoch die Frage, ob es tatsächlich zwei ausgebildete Lehrkräfte sein müssen, wie von den Initiatoren des Volksantrags „Gute Schule JETZT!“ gefordert. Die Alleenschule hat über das Programm „Rückenwind“ aktuell die Möglichkeit, dass neben der Lehrkraft eine weitere Betreuungskraft im Klassenzimmer ist, die mit einer separaten Gruppe arbeiten kann. „Das ist eine große Unterstützung. Es wäre zwingend notwendig, dass das ‚Rückenwind‘-Programm fortgesetzt wird“, sagt Bröckel. Grundsätzlich müssten mehr Lehrkräfte ausgebildet werden, um die Grundversorgung gewährleisten zu können. „Das sehe ich als wichtige Aufgabe und Herausforderung, dass guter Unterricht möglich ist und die Qualität stimmt.“ Im Moment würden viele Nichterfüller eingestellt, um den Lehrermangel zu lindern. adö