Kirchheim

Gute Feen bescheren Spektakel

Konzert Jazz pur im Kirchheimer Club Bastion: Die „Barrelhouse Jazzband“ und die Gruppe „Wuppertal Jazz Workshop“ imponieren mit einem abwechslungsreichen Mix aus Tradition und Aktualität. Von Bernhard Fischer

Der Zufall bei der Terminplanung zeigt immer wieder kuriose Ergebnisse: Der Kirchheimer Club Bastion wollte im Rahmen des Jubiläumsprogrammes zum 50-jährigen Bestehen unbedingt die „Barrelhouse Jazzband“ verpflichten - genauso wie den „Wuppertal Jazz Workshop“ mit Peter Brötzmann.

Dieses Vorhaben hat geklappt: Unter dem Motto „Kontrast und Kontinuität“ gab erst der Wuppertal Jazz Workshop am Freitag ein grandioses Konzert im Geist der Free-Jazz-Bewegung, am Folgetag begeisterte die Barrelhouse Jazzband mit traditionellem Jazz.

Letztere Gruppe war einst regelmäßig Gast im Club. Ein Programmheft von 1973 kündigte den sechsten Auftritt der Band an. Deren Leiter Reimer von Essen ist nicht nur ein exzellenter Bläser und Kenner der Jazzgeschichte, sondern auch ein charmanter Entertainer, der mit kurzweiligen Episoden durch das Programm führt: „Als der Jazz geboren wurde, standen viele gute Feen an seiner Wiege - Ragtime-Piano, Militärmärsche, französische Musiktraditionen, Traditionen der schwarzen Sklaven und viele mehr.“

Ein wunderbares Bild für den Charakter der Jazzmusik ist es, immer wieder verschiedenste Einflüsse aufzunehmen und sich damit ständig zu erneuern. Die große Liebe der Band gilt der Musikszene in New Orleans. Der stilistisch älteste Titel des Abends ist „Tia Juana“ des Pianisten Jelly Roll Morton, ähnlich alt ist der Titel „Just Gone“ von Joe „King“ Oliver aus den 20er-Jahren, beide dargeboten mit den für den frühen Jazz charakteristischen verflochtenen Melodielinien der drei Bläser Reimer von Essen, Frank Selten und Horst Schwarz. Die liebevollen Arrangements schaffen stimmige Klangbilder durch Verwendung verschiedener Saxofone, Klarinetten, Posaunen und Trompeten sowie durch den Einsatz verschiedener Dämpfer, durch zweierlei Banjos und Gitarre. Eine der Besonderheiten der Musikszene von New Orleans ist der Einfluss der kreolischen und karibischen Musikszene, der zur Geltung kommt. So verbindet Horst Schwarz in seiner Komposition „Barrelhouse Showboat“ Elemente des Swing mit karibischen Rhythmen.

Das abwechslungsreiche Programm hat einen Schwerpunkt in den „goldenen“ Jahren des Swing. Da darf auch Duke Ellington nicht fehlen. Neben dem gospelbetonten „Out South“ gibt auch der „Caravan“ mit seiner charakteristischen Melodie allen Beteiligten Gelegenheit zu Soli. Neben den Bläsern glänzen auch Christof Sänger am Piano, Roman Klöcker an Gitarre und Banjo, Lindy Huppertsberg am Kontrabass und als Sängerin und Michael Ehret am stilsicher „altmodisch“ zusammengestellten und gespielten Schlagzeug.

Musik entsteht im Moment

Improvisierte Musik hoher emotionaler Intensität konnten die Besucher der Bastion am Abend davor erleben: Dank langjähriger Verbundenheit des Clubs mit einigen der Musiker gelang es, den Wuppertal Jazz Workshop für ein Konzert unter die Teck zu holen. Mit dabei ist Peter Brötzmann, Mitbegründer der Wuppertaler Jazzszene, und seit den Sechzigerjahren weltweit erfolgreich unterwegs.

Es gibt keine Notenständer, keine vorbereiteten Themen, keine verabredeten Strukturen und keine Erläuterungen zu den Stücken - die Musik entsteht im Moment. Kurze Themen werden in den Raum gestellt, aufgenommen, verändert, ergänzt und von den Mitmusikern kommentiert. Sie entfalten sich und münden in gemeinsam empfundene Ruhepunkte.

Die beiden Bläser Wolfgang Schmidtke und Peter Brötzmann beginnen am Tenorsaxofon mit hymnischen Melodielinien. Bass und Schlagzeug grundieren mit langsamem Puls, Roman Babik am Piano schafft Spannung mit durchsichtigen perlenden Läufen. Beide Bläser spielen obertonreich mit den Klangfarben ihrer Instrumente, intensiv und trotzdem von Ton zu Ton neu gefärbt. Brötzmann eher mit warmer Tongebung, Schmidtke eher schlank und schneidend. Die Bläser wechseln immer wieder die Instrumente, wobei Brötzmann neben der Klarinette auch das aus der ungarischen Musik stammende Tárogató spielt, ein Instrument, das äußerlich an eine Klarinette erinnert, aber ein hölzernes Saxofon ist und einen wärmeren Klang hat.

Peter Weiss zeigt, dass er auch die freien Spielarten beherrscht. Dieter Manderscheid am Kontrabass schafft markante, aber filigran geformte Strukturen. Roman Babik nimmt vorsichtig die Tonräume auf, weitet diese und kommt immer wieder zu intensiven perlenden Läufen und zupackendem akkordischem Spiel.

Während Brötzmann vielfach den Ruf hatte, seine Mitspieler an die Wand zu spielen, ist dieser Abend geprägt von einem ausgeprägten Miteinander, intensivem Zuhören und sensiblem Eingehen auf die Mitspieler.