Kirchheim

Hand in Hand mit der Sprache musizieren

Gedicht Lyrikerin Susann Pineau und Musiker Volker Heuken gastieren im Max-Eyth-Haus.

Nur ein paar Rohre sind von dieser Solarthermieanlage übrig geblieben, die fest im Dach integriert war.Foto: IFS
Nur ein paar Rohre sind von dieser Solarthermieanlage übrig geblieben, die fest im Dach integriert war.Foto: IFS

Kirchheim. Susann Pineau ist in Kirchheim keine Unbekannte. Sie wohnt in Bad Boll. Vor drei Jahren hat sie ihr Lyrikbändchen „Der äußerste Punkt“ vorgestellt. In eine sonntägliche Matinee im Max-Eyth-Haus brachte sie nun auf Einladung des Literaturbeirats ihr neuestes Werk „Durch das Schlüsselloch“ mit. Zusammen mit dem Musiker Volker Heuken bot sie Kostproben ihres aktuellen poetischen Schaffens.

Lyrik ist bekanntlich etwas für Feinschmecker, nicht für ein Massenpublikum. Trotz Grippewelle und trotz Konkurrenzveranstaltungen kam eine treue Zuhörerschar ins Max-Eyth-Haus und wurde dafür mit sprachlichen und musikalischen Delikatessen belohnt.

Susann Pineau bekannte sich sogleich zu der Arbeitsweise des französischen Poeten René Clair: Die Sprachverwendung in der Lyrik gleiche „dem Auslichten einer Hecke, damit die Sonne durchstrahlen kann“. Ihre Texte sind knapp, präzise und sparsam mit Metaphern. Sie steigern sich meist auf eine Schlusspointe hin. Die Thematik ist vielfältig.

Die Lyrikerin „serviert“ ihre sprachlichen Kostbarkeiten in zwei verschiedenen „Gängen“. Im ersten Teil ist von Jahreszeiten und von Landschaften die Rede, zum Beispiel von den Hochflächen der Causse Méjean im Südwesten Frankreichs, der zweiten Heimat der Autorin. Doch es bleibt nicht bei der Idylle. Missstände wie das Armutsproblem in Paris oder das Leiden der Bewohner des Gazastreifens werden angesprochen.

Der grundverschiedene zweite „Gang“ kündigt sich durch eine neues Instrument an. Somit gilt es, vom studierten Jazzmusiker Volker Heuken zu sprechen. Er zeigt sein souveränes Können zuerst am Vibrafon, indem er subtil, je nach der Stimmung der Gedichte, elegische oder heitere Zwischenspiele einflicht.

Zu Beginn des zweiten Teils nimmt er ein seltsames Gebilde von Instrument auf den Schoß und erzeugt mit beiden Händen frappierende Rhythmen und Melodien. Wie er später erklärte, heißt dieses Instrument „Hang“. Es besteht aus zwei zusammengefügten Halbschalenelementen aus einem besonderen Stahlblech. Das staunende Publikum erfährt, dass es dieses in der Schweiz entwickelte Instrument erst seit zwanzig Jahren gibt.

Auch die poetischen „Töne“ verändern sich. Existenzielle Fragen werden aufgeworfen, von der Liebe ist die Rede oder sogar vom Tod. Den Ausgang der Lesung bilden Reflexionen über das dichterische Schaffen. Die Dichterin geht „Hand in Hand mit dem Wort“, speziell im Gedicht: „Das Gedicht Schrittmacher deines Lebens seiner Spur folgend findest du die Tür, die du bist“, heißt es im Titelgedicht „Durch das Schlüsselloch“.

Pineau liest - wie ihr Vorbild Reiner Kunze - manche Gedichte zum besseren Verständnis zweimal vor. Mit ihrem direkten Zugang zu großen Problemen wie zu kleinen Details kam sie bei den Zuhörern sehr gut an. Wer die Texte nachlesen will, kann wieder auf eine liebevolle signierte und nummerierte Ausgabe des Ein-Mann-Verlages Toni Pongratz zurückgreifen.Ulrich Staehle