Kirchheim

Handicaps in Kirchheim „erfahren“

Stadtentwicklung Die Stadtverwaltung Kirchheim hat gemeinsam mit Menschen mit Handicap eine Begehung der Innenstadt vom Bahnhof bis zum Rollschuhplatz organisiert.

Beim Workshop wurden bestehende Schwachstellen benannt und Lösungsvorschläge erarbeitet. Foto: pr

Wie lebt es sich für Menschen mit körperlichen Einschränkungen in Kirchheim? Um dieser Frage nachzugehen, trafen sich rund 30 Teilnehmer mit Rollstühlen und Rollatoren, aber auch Menschen mit einer Seh- oder Hörschwäche. Für Teilnehmer ohne Handicap hatten die Veranstalter Gehhilfen und Simulationsbrillen im Gepäck, um Barrieren für alle erfahrbar zu machen.

Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader bewältigte die eineinhalbstündige Tour im Alterssimulationsanzug. Mit Gewichten an den Beinen, Bewegungseinschränkungen und künstlicher Sehschwäche konnte er sich einen Eindruck davon verschaffen, was es bedeutet, als betagter Mensch in der Stadt unterwegs zu sein. Der Erste Bürgermeister, Günter Riemer, erfuhr die Strecke im Rollstuhl. Durch eine Simulationsbrille für Grauen Star konnte er die Umgebung zusätzlich nur eingeschränkt sehen.

Barrierefreiheit nützt allen

Im gemeinsamen Austausch wurden die Fußwege Kirchheims auf ihre Barrierefreiheit untersucht. Wie die Diskussion zeigte, gibt es dabei auch Konflikte. „Während beispielsweise Bordsteinkanten Fußgängern mit Blindenstock als Orientierungshilfe dienen, stellen sie für Nutzerinnen und Nutzer von Rollatoren oder Rollstühlen eine Hürde dar. Hier muss ein sinnvoller Kompromiss gefunden werden“, stellt Thomas Bantzhaff, Mobilitätsbeauftragter der Stadt Kirchheim, fest. Als weiterer Punkt fiel die unzureichende Ausschilderung des Fußwegs vom Hauptbahnhof zur Innenstadt auf: Die Schilder sind klein und befinden sich nicht auf Augenhöhe. Bantzhaff ging während der Begehung an unterschiedlichen Stationen auf das Thema Barrierefreiheit im öffentlichen Raum ein und zeigte auf, wo die Stadt konkrete Verbesserungen umsetzen wird, beispielsweise mit der Verbreiterung des Fußwegs in der Jahnstraße noch in diesem Sommer.

In der Arbeitsgruppen-Phase am Nachmittag diskutierten die Teilnehmer weitere Problemstellen und erarbeiteten Lösungsansätze. Themenbereiche waren „Barrierefreiheit im ÖPNV”, „Barrierefreier Fußverkehr im öffentlichen Raum” sowie „Barrierefreiheit in Geschäften, Praxen, Verwaltungsgebäuden und Gastronomie”. Dabei wurde deutlich, dass der Abbau von Barrieren nicht nur Personen mit Handicap, sondern allen nützen kann. So profitieren vom barrierefreien Fußverkehr auch junge Eltern mit Kinderwagen.

Aufbauend auf den Vorschlägen aus dieser Veranstaltung und den Ergebnissen aus fünf vorherigen Workshops erarbeitet das Planungsbüro „Stadtberatung Dr. Sven Fries“ aus Ostfildern aktuell in Kooperation mit Sozialplanerin Christine Bald der Stadtverwaltung einen Teilhabe-Plan für Menschen mit Handicap. Der fertige Teilhabe-Plan wird dem Gemeinderat im November präsentiert.

Zahlreiche Einrichtungen, Verbände und engagierte Bürger unterstützen den Planungsprozess aktiv, darunter die Lebenshilfe Kirchheim, die Aktion Multiple Sklerose Erkrankter „Amsel“, der Landesverband der Schwerhörigen und Ertaubten und die Verbundschule Dettingen. Diese fünf stellten sich bei dem Aktionstag mit einem Info-Stand auf dem Rollschuhplatz vor.

Auch Vertreter und Vertreterinnen der Fraktionen im Gemeinderat nahmen an den Workshops teil. Sie tauschen sich künftig mindestens einmal jährlich im „Fachforum Inklusion“ mit Einrichtungen und Verbänden der Behindertenhilfe und verschiedenen Ressorts der Stadtverwaltung aus.

Das Fachforum Inklusion wurde im Dezember 2020 als beratendes Gremium des Gemeinderats ins Leben gerufen. Künftig wird das Fachforum Inklusion die Umsetzung der Ziele und Maßnahmen aus der Teilhabe-Planung begleiten.

Für eine gelingende Teilhabe von Menschen mit Handicap sind Zustimmung und Unterstützung aus allen Bereichen der Gesellschaft notwendig. Beim Thema Teilhabe in Ausbildung und Arbeit sollen deshalb künftig auch Unternehmen und ihre Verbände als Unterstützer ins Boot geholt werden. Auch Nachbarschaftsnetzwerke oder Sportvereine können dazu beitragen, dass alle – ob mit oder ohne Handicap – gleichermaßen am gesellschaftlichen Leben in Kirchheim teilnehmen und es aktiv mitgestalten können. Ansprechpartnerin bei der Stadtverwaltung ist Sozialplanerin Christine Bald, erreichbar unter der Nummer 0 70 21/50 25 19. pm