Kirchheim

Heiße Öfen zwischen Wald und Reben

Motorsport Fast zwei Jahrzehnte begeisterte das legendäre Bergrennen in Neuffen bis zu 30 000 Zuschauer und kurbelte den Fremdenverkehr an. 1983 fand es ein trauriges Ende. Von Daniela Haußmann

Spannende Kämpfe, rasante Spurts und euphorische Zuschauermassen – 19 Jahre lang rangierte die Neuffener Steige ganz oben auf der Beliebtheitsskala bekannter und wichtiger Rennstrecken. Die Schwäbische Alb-ADAC-Bergprüfungsfahrt, die auf Betreiben des Kirchheimer Kinobesitzers Richard Frech 1964 erstmals an den Start ging, mauserte sich im Verlauf fast zweier Dekaden zum europäischen Motorsportereignis der Superlative. In ihren Glanzzeiten zählte die Veranstaltung fast 30 000 Besucher und rund 500 Teilnehmer, die zwischen Wald und Reben nach Bestzeiten jagten.

Rennfahrerlegenden

Der 4,2 Kilometer lange Kurs, der mit einem Höhenunterschied von 250 Metern und 18 Kurven aufwartet, lockte nicht nur Amateure an. Deutsche Meister, Bergkönige und Rennfahrerlegenden wie Sepp Greger zog es ebenso an den Berg unterm Hohenneuffen, wie den deutschen Adel. Darunter Prinz Leopold von Bayern. Aber auch Frauen gaben an der Neuffener Steige Gas. Während die einen im Beiwagen saßen, erzielten manche von ihnen hinterm Steuer gute Platzierungen im männlich dominierten Teilnehmerfeld.

Die Veranstalter scheuten keine Kosten, um aus dem Bergrennen ein hochkarätiges Sportereignis zu machen. Mit rund 80 000 DM schlug der Gesamtaufwand laut einem Artikel im Teckboten aus dem Jahr 1973 zu Buche. Die Zuschauerströme, die alljährlich zum Rennsport-Mekka nach Neuffen pilgerten, spülten bares Geld in die Kassen der lokalen Vereine, die sich mit Angeboten an dem Ereignis beteiligten. Im Teckboten von 1983 ist von Einnahmen in Höhe von 40 000 DM die Rede. „Und nicht zuletzt kurbelte der Bergpreis“, laut Joachim Herrmann, „den Fremdenverkehr an.“ Dass ausgerechnet das Motodrom am Albtrauf eine große Anziehungskraft auf eine große Zahl von Vertretern der damaligen europäischen Pilotenelite ausübte, hat nach Ansicht des ehemaligen Leiters der Streckensicherung seine Gründe.

Die vor den Toren Neuffens gelegene Landstraße weist dem Kirchheimer zufolge alle Schwierigkeitsgrade auf, die eine Bergfahrt auf hohem Niveau ausmachen. Lange Zwischengeraden, die schnelle Spurts ermöglichen, aber auch Haarnadelkurven – ein Kurs, auf dem Motorrad- und Wagenpiloten die Bandbreite ihres fahrerischen Könnens unter Beweis stellen konnten. Hinzu kam laut Joachim Herrmann, dass das Rennen als Wertung für einige wichtige deutsche und europäische Motorsportwettbewerbe durchgeführt wurde. Der Sportkommissar der Obersten Nationalen Sportbehörde, Hans Klinken, bezeichnete die Strecke im Jahr 1964 gegenüber der Presse auch als ideal für das Publikum, weil es „die Bahn zu zwei Dritteln einsehen kann“.

1967, nur drei Jahre nach dem ersten Wettlauf, erfuhr die ADAC-Bergprüfungsfahrt eine internationale Öffnung. Fahrer aus dem Nachbarländern, allen voran die Schweiz und Österreich, machten die Veranstaltung für Fans zu einem noch spannenderen Ereignis. Anlässlich des 12. Motoren-Spektakels am Albtrauf zeigte die Analyse von Starterliste und Ergebnissen in der Presse, dass es für Privatfahrer von Jahr zu Jahr schwieriger wird, die Ausgaben für den Rennsport aus eigener Tasche zu finanzieren. Während sie in der Vergangenheit das Gros der Starter bildeten, rückten nun verstärkt von Sponsoren finanzierte Profifahrer in den Vordergrund.

Im Verlauf der 19 Jahre, in denen das Rennen wegen Straßenbauarbeiten im Jahr 1966 nur einmal ausfiel, waren die Veranstalter immer wieder bemüht, die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Zuschauer zu verbessern. Die Landstraße litt zunehmend unter dem Schwerlastverkehr. Spurrillen veranlassten den veranstaltenden Motorsportclub Kirchheim 1981, den Fahrern eindringlich zu empfehlen, schmale Reifen aufzuziehen. Wenig später wurde der Belag abgefräst, um einen reibungslosen Ablauf des Wettbewerbs am „Klein-Solitude“, wie das Neuffener Ereignis in Anlehnung an das legendäre Motorrad- und Wagenrennen in Stuttgart genannt wurde, zu gewährleisten.

1983 sorgte ein Unfall, bei dem ein neunjähriger Junge in der Zuschauermenge von einem Auto erfasst wurde und beim Transport ins Krankenhaus starb, für das Aus der Veranstaltung. Kritische Stimmen, die in den zurückliegenden Rennjahren immer wieder aufgekommen waren, gewannen nun eindeutig die Oberhand. „Eine Rolle spielte dabei auch der zunehmend in den Mittelpunkt gerückte Natur- und Umweltschutz“, erzählt Joachim Herrmann. „Wegen ihm hätte die Veranstaltung früher oder später ohnehin ein dauerhaftes Ende gefunden.“