Kirchheim
Herbstaktion: „Kirchheim brüht auf“

Lockdown City Ring und BDS betonen, wie wichtig es ist, dass trotz Einschränkungen das öffentliche Leben möglichst normal weiterläuft. Von Andreas Volz

Alles steht zueinander in Beziehung: Die Innenstadt braucht Läden, Gaststätten und kulturelle Angebote. Fehlt das eine, leidet das andere. Was der Vorteil des November-Lockdowns gegenüber dem Frühjahr sein soll, sind die geöffneten Läden. Um aber die Kontaktgelegenheiten und damit die Möglichkeiten zur Ansteckung mit dem Coronavirus einzuschränken, bleiben Wirtschaften geschlossen sowie Konzerte, Kino- und Theatervorführungen untersagt.

Letzteres lässt nicht nur Wirte und Kulturanbieter verzagen, sondern auch die Ladenbesitzer: Das Erlebnis Innenstadt ist ein Gesamtpaket. Zum Einkaufsbummel gehört der Besuch im Restaurant, in der Kneipe oder im Café. Umgekehrt kann es zum Treffen in einer Gaststätte gehören, dass man auf dem Weg dorthin noch im einen oder anderen Laden vorbeischaut.

Händler freuen sich auf Kunden

Was bedeutet das für die Ladeninhaber? Die Schließung ist ihnen erspart geblieben. Trotzdem müssen sie um die Kunden kämpfen. „Wichtig ist, dass alle wissen, dass man in die Stadt kommen kann. Wenn man die Abstandsregeln einhält, Mund-Nasen-Schutz trägt und sich normal verhält, geht die Ansteckungsgefahr gegen Null“, sagt Karl-Michael Bantlin, der Vorsitzende der Kirchheimer Händlergemeinschaft City Ring. Sein Stellvertreter Jochen Nägele ergänzt: „Immer wieder rufen Leute an und fragen, ob wir überhaupt offen haben.“ Seine Botschaft ist eindeutig: „Ja, wir haben geöffnet, und wir freuen uns auf unsere Kunden.“ Viele Händler bieten außer einem Lieferservice sogar Einzeltermine für ihre Kunden an - außerhalb der Öffnungszeiten.

Zu den Einschränkungen hat Jochen Nägele eine klare Haltung: „Es nutzt nichts, über die Sinnhaftigkeit der Regeln zu diskutieren. Sie sind da, und wir halten uns dran. Lieber legen wir sogar noch eine Schippe zusätzlich drauf.“ Alle Läden hätten gleich nach der Öffnung im Frühjahr Hygienekonzepte vorlegen müssen - und alle Beteiligten haben sich intensiv damit auseinandergesetzt.

Das gilt auch für andere Branchen, die jetzt trotzdem schließen mussten. Außer in der Gastronomie hat sich Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader vor dem neuerlichen Stillstand auch in Fitnessstudios umgeschaut und festgestellt: „Das funktioniert. Die Konzepte haben mich überzeugt.“ Dass jetzt die einen - Hygienekonzept hin oder her - weiter öffnen dürfen und die anderen schließen müssen, ist nicht ohne Weiteres schlüssig zu erklären. Auch die Kontrolle, ob Regeln eingehalten werden, ist nicht gerade leicht. Pascal Bader konstatiert deswegen: „Ich möchte nicht mit Polizei oder Vollzugsdienst tauschen.“

Auch Jochen Nägele sieht die Problematik, dass die Beschränkungen unglaublich polarisieren. In die Zukunft schaut er deshalb mit gemischten Gefühlen: „Wir werden die Coronakrise gesellschaftlich und wirtschaftlich überleben, davon bin ich überzeugt. Aber die Spaltung wird anhalten.“

Der Kirchheimer Bund der Selbständigen (BDS) hat ebenfalls großes Interesse daran, „dass öffentliches Leben nach wie vor stattfindet, wenn auch unter gewissen Einschränkungen“, wie der Vorsitzende Karl-Albrecht Einselen sagt. „Wir müssen alle gemeinsam versuchen, die Einschränkungen zu akzeptieren und entsprechende Konzepte umzusetzen.“ Sein Vorstandskollege Robert Schmid fügt hinzu: „Wenn das Leben einigermaßen weiterläuft, hilft das der Wirtschaft viel mehr als alle Unterstützungsgelder.“

Den Aufschwung nach dem ers­ten Lockdown bezeichnet er als „zartes Pflänzchen“, das schnell wieder eingehen kann. Die Händler greifen das humorvoll auf: Weil das Aufblühen ja eher eine Angelegenheit des Frühlings ist, haben sie sich für eine Herbstvariante entschieden und eine andere Aktion ins Leben gerufen: „Kirchheim brüht auf“. Kunden erhalten zum Einkauf eine Teemischung.

Begrünt werden soll die Innenstadt gleichwohl - mit 180 Tannenbäumen. Auch die Seitenstraßen werden stärker geschmückt, um die Menschen in die ganze Stadt zu locken und dadurch auch mehr Abstand zu bekommen. Der digitale Adventskalender wiederum ist eine Mischung aus Rausgehen und Zuhausebleiben: Lösungen für die digitalen Rätsel gibt es in den Läden. Statt „Bleiben Sie zu Hause“ soll die Devise lauten: „Gehen Sie wieder raus, aber bleiben Sie vorsichtig.“ Das verdeutlichen die City-Ring-Vorsitzenden. Jochen Nägele sagt: „So schlimm ist es auch nicht, eine Maske zu tragen.“ Und Karl-Michael Bantlin zieht das Fazit: „Einkaufen lohnt sich.“