Kirchheim

„Hier steckt Kultur an - nicht Corona“

Konzert Das Ensemble „Fracklos“ begeistert im Alten Gemeindehaus in Kirchheim mit einer musikalischen Reise durch die unterschiedlichsten Länder, Genres und Tempi. Von Anja Schulenburg

Trotz Mindestabstand überwiegt die Spielfreude beim Ensemble „Fracklos“.Foto: Anja Schulenburg
Trotz Mindestabstand überwiegt die Spielfreude beim Ensemble „Fracklos“. Foto: Anja Schulenburg

Im Kirchheimer Gemeindesaal weht ein laues Lüftchen, die Fenster stehen offen. Für die meisten der 40 erlaubten Gäste ist es das erste Konzert seit Langem. Sie sitzen in Gruppen auf Lücke, immer wieder bleiben Stühle frei. „Wir haben dennoch voll bestuhlt, dass man sich trotzdem wohlfühlen und Spaß haben kann“, erklärt Florian Stegmaier von der Volkshochschule (VHS), „hier steckt Kultur an - nicht Corona. Das Konzert soll ein Zeichen sein, dass es weitergeht.“

Als die Musiker des Ensembles „Fracklos“ schließlich den Raum betreten und ihre Plätze - logischerweise ebenfalls mit Mindestabstand zueinander - einnehmen, entlädt sich die bisherige Zurückhaltung in freudigem Applaus. Nach dem letzten 20-Uhr-Glockenschlag der Martinskirche beginnen die Künstler mit „Ungarisch“ von Jo Kürmann, einem Musikstück, das die letzten Monate musikalisch in sich zu tragen scheint und widerspiegelt - mollige Melancholie gepaart mit Wut und Verzweiflung, in optimistischen Dur-Tönen endend.

Sänger Christoph Schimeczek, der charmant mit kleinen Episoden zu den Musikstücken durch den Abend führt, begrüßt die Gäs­te und lädt sie zum Träumen ein: „Lassen Sie heute einfach jegliche Vernunft hinter sich, wir nehmen Sie mit auf eine fantasievolle Reise.“ Ein Raunen erfüllt den Saal, und die Teilnehmer gehen gedanklich auf eine Exkursion durch die unterschiedlichsten Länder, Genres und Tempi. Man wird Teil einer Karawane, die mit einem musikalischen Überraschungsmoment verschwindet, Zeuge eines Mordes in Piero Trombettas Kriminal-Tango und revolutionär in Theo Mackeben‘s „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“.

Wer also lediglich seichte Kaffeehausmusik erwartet hatte, wird an diesem Abend schnell eines Besseren belehrt. Denn sei es die Prinzessin auf dem persischen Markt, die die Zuhörer durch die leidenschaftliche Interpretation von Cellistin Ewa Staszewska vor ihrem inneren Auge sehen, oder die faszinierenden Geigenklänge von Walter Töws im japanischen Laternentanz durch Pianistin Elena Wackenhut.

Thomas Reil, der sich während des Corona-Lockdowns das Querflötenspiel selbst beibrachte und erstmalig damit brillierte, gibt Gerhard Winklers „Clarina“ auf der Klarinette ein wunderbares Gesicht. Schließt man die Augen, hat man, je nach Dynamik, ein scheinbar zehnköpfiges Orches­ter oder einen Solisten vor sich - und das nach monatelanger Pause, in der nicht geprobt werden durfte. Die Spielfreude seitens der Musiker ist nicht zuletzt deshalb umso größer. Dieser Eindruck bestätigt sich, als sich die Musiker mit ihrer zweiten Zugabe „Grastuno Bal“ dem Programm das musikalische I-Tüpfelchen aufsetzen und das Publikum beschwingt in die Nacht entlassen.