Kirchheim

Humor ist,wenn man trotzdem lacht

Literatur Albert Koch, Madeleine Giese und Rainer Furch bieten in der Stadtbücherei „Komische Gedichte aus Deutschland“. Die Texte zeigen: Deutsche und ihre Dichtung sind nicht humorlos. Von Ulrich Staehle

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Komische Gedichte sind von Humor geprägt. Der studierte Germanist Rainer Fuchs hebt an, aus einer hochwissenschaftlichen Abhandlung den Begriff Humor zu definieren. Doch alsbald „pfeift“ Albert Koch darauf: Er fängt an, mit der Mundharmonika Musik zu machen, will heißen: Schluss mit der Theorie. Lassen wir poetische Texte sprechen, die beweisen, dass die Deutschen und ihre Dichtung nicht humorlos sind, wie oft gesagt wird. Lassen wir Wilhelm Busch mit seinem Gedicht „Vogel auf dem Leim“ zu Wort kommen. Dieser auf dem Leim festsitzende Vogel, dem sich der Kater schon nähert, beschließt, „lustig“ zu „pfeifen wie zuvor“. Busch konstatiert: „Der Vogel, scheint mir, hat Humor.“ Also: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Man lacht über die Diskrepanz von Wunsch und Wirklichkeit.

Von Goethe bis Gernhardt

Einen Kessel Buntes mit komischen Gedichten haben die drei Künstler mitgebracht, wobei die Autorinnen und Autoren der Texte selten mitgeteilt werden, das würde schon mal den zügigen Ablauf stören. Produkte kommen in den Kessel, ob bekannt oder unbekannt, Hauptsache sie sind humoristische Appetithappen. Bei näherem Hinsehen schwimmt sogar ein Goethegedicht darin herum, in dem sich der Dichterfürst wundert, dass Störche auf das Kirchendach - der Reim lässt keine andere Wortwahl zu - „scheißen“ dürfen. Sonst finden sich die üblichen Humorverdächtigen, unter anderem Heine mit seinem bei Sonnen- untergang seufzenden Fräulein, Christian Morgenstern mit seinem Wiesel, das um des Reimes Willen da ist, Ringelnatz, Ernst Jandl und Robert Gernhardt.

Pointensicher und in rascher Folge werden die Texte dargeboten. Humor verträgt keine Langweile. Auf der Bühne sitzen drei dafür geeignete Künstler: das Schauspielerehepaar Giese-Furch und der Mundharmonikaspieler Albert Koch, der auch als Rezitator mithalten kann. Sie variieren bei der Darbietung auf vielerlei Weise, einzeln, zu zweit oder sogar zu dritt, wobei die Verzahnung hervorragend klappt. Höchst wirkungsvoll ist der Mundharmonikaeinsatz von Albert Koch. Er untermalt Textpassagen und legt zwischendurch Soli hin, die faszinieren und spürbar machen, dass er auf diesem Instrument als Ausnahmekönner in Sachen Blues gilt, nachzuhören auf diversen CDs. Neben der Mundharmonika sind zur Untermalung bei allen noch allerlei Blas- und Percussion-Ins­trumente im Einsatz.

Zwischen den Gedichtrezitationen gibt es Lockerungsübungen, eine Publikumsbeteiligung beim „Königreich von Nirgendwo“ von James Krüss, und durch immer wieder eingestreute Fragen mit humorigen Antworten nach dem Muster: „Sag einen Satz mit ‚Tomaten‘.“ Antwort: „Au-tomaten beherrschen immer mehr das Leben.“ So wird ein Spiel betrieben mit Buchstaben, Silben, Lauten, Wortverbindungen und Klangmalereien.

Köstlich hat er geschmeckt, der Kessel Buntes, dazu noch der Sekt, der in der Pause wieder anlässlich des 25-jährigen Jubiläums von „Text und Töne“ ausgeschenkt wurde. Eine letzte Veranstaltung dieser Reihe wird es dieses Jahr noch geben, am 4. September. Nicht mit den angekündig­ten Künstlern, die wegen Krankheit absagen mussten, sondern mit Ulrike Goetz. Die Profisprecherin hat „Sommer(nachts)träume“ angekündigt und wird von der Gitarristin Birgit Zacharias begleitet.