Kirchheim
„Ich bin doch zu schade für einen allein“

Konzert Im Rahmen der Frauenkulturtage kreiert die Schauspielerin und Sängerin Cora Chilcott ein sensibles und gleichzeitig schillerndes Porträt von Marlene Dietrich, einer Diva und Stil-Ikone. Von Anja Schulenburg

Der Gewölbekeller der Volkshochschule Kirchheim ist hell erleuchtet. Im Raum stehen ein Flügel, ein Notenständer und ein Laptop. Ein Beamer projiziert ein Porträt von Marlene Dietrich an die Wand. Zeitlos schön und unvergessen strahlt die einstige Stil-Ikone selbstbewusst auf die Frauen und Männer im Publikum herab, unnahbar und doch verletzlich.

Mit dem Holländer-Song „Kinder, heut Abend such ich mir was aus, einen Mann, einen richtigen Mann“ begrüßt die Schauspielerin und Sängerin Cora Chilcott das Publikum und katapultiert es in die Welt der Frau, die den Hosenanzug salonfähig machte und bereits in den 20er-Jahren eine Ikone beider Geschlechter war.

Mit bewegenden Anekdoten aus den Tagebüchern der Dietrich, zeitgenössischen Momentaufnahmen und Textpassagen aus dem Gedichtband Nachtgedanken, zeichnet Chillcott ein sensibles Porträt jener leidenschaftlichen Künstlerin. Unterstützt wird sie dabei von Volker Jaekels einfühlsamem Klavierspiel.

Die Suche nach Liebe

Neben dem männermordenden Vamp Lola, den Chilcott mit Bravour zum Besten gibt, zeigt sie eine verzweifelte Frau, getrieben von der ewigen Suche nach der großen Liebe und Anerkennung. „Ich hasse dieses Spiel“, zitiert Chilcott die Ehefrau und Mutter einer Tochter, die für ihre Karriere Monate im Ausland verbrachte, und unterstreicht diese Aussage mit Liedern wie „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, und frag nicht, warum ich gehe“.

Chilcotts humorvolle und teils tragische Schilderungen Dietrichs unzähliger Affären mit Hollywoodgrößen wie Edith Piaf beispielsweise, Kirk Douglas, Frank Sinatra und Yul Brunner sorgen immer wieder für Ungläubigkeit und Erheiterung im Publikum.

Gleichzeitig gelingt es der Protagonistin, durch ihre schauspielerische Wandlungsfähigkeit und eine gewisse Ähnlichkeit mit der Diva, Verständnis für die getriebene Ikone beim Publikum hervorzurufen.

Die Sängerin beeindruckt zusätzlich mit ihrem voluminösen Mezzosopran, der dem bewegenden Timbre der Dietrich relativ nahekommt. So fließt im Publikum während „Sag mir, wo die Blumen sind“ auch die eine oder andere Träne.

Besonders in der zweiten Hälfte des Programms verschmelzen vorgelesene Episoden und daraus resultierende Lebenslieder. Dem Zuschauer wird durch Chilcotts und Jaekels Zusammenspiel die gesamte Tragik der unabhängigen, selbstbewussten und schillernden Bühnenpersönlichkeit Marlene Dietrich vor Augen geführt, die mit Mitte 70 immer noch auf der Bühne stand und sich selbst parodierte.

Ganz Marlene-like kokettiert Chilcott nach einem donnernden Schlussapplaus mit dem Publikum: „Zugabe gefällig?“ Was für eine Frage, denkt sich manch eine Zuschauerin. Frau könnte noch ewig so sitzen und weiteren Eskapaden und Liedern der Diva lauschen. Und so endet schließlich eine beeindruckende Reise in die Vergangenheit des unglaublich polarisierenden Superstars mit dem Holländer-Song „Sehen Sie, was die Jungs im Hinterzimmer haben werden“.