Kirchheim
Im Brandstifter-Prozess hält die Kirchheimer Angeklagte Anschuldigungen füreine „Frechheit“

Prozess Eine Kirchheimerin wird beschuldigt, in ihrer Wohnung Feuer gelegt zu haben. Nun sagten Nachbarn aus.

Kirchheim. Die mutmaßliche Kirchheimer Brandstifterin, gegen die das Stuttgarter Landgericht derzeit verhandelt, beschimpft in der Beweisaufnahme einen Zeugen mit dem Begriff „Frechheit“. Der Zeuge hatte ausgesagt, dass das seltsame und aggressive Verhalten der Frau in dem Mehrfamilienhaus jahrelang für Angst und Schrecken der Mitbewohner sorgte.

Es war der vierte Verhandlungstag gegen die 65-Jährige, die am 12. Februar in ihrer Kirchheimer Erdgeschosswohnung ein Feuer gelegt und damit fünf Wohnparteien in große Gefahr gebracht haben soll. Vor der siebten Großen Strafkammer am Stuttgarter Landgericht steht die Frau jetzt wegen schwerer Brandstiftung und weiterer Taten wie Beleidigung und versuchte Körperverletzung unter Anklage. Allerdings gibt es laut einer Sachverständigen Hinweise darauf, dass die Beschuldigte im Zustand einer schweren paranoiden Störung gehandelt haben könnte.

Vier Bewohnerinnen und Bewohner des Mehrfamilienhauses in Kirchheim wurden nun vernommen, darunter ein 73-jähriger Rentner und seine Frau, deren Wohnung direkt über der der Angeklagten liegt. „Wir alle lebten in einer ständigen Angst vor ihr“, beginnt der Senior seine Aussage. Die Angeklagte sei vor etwa zehn Jahren in die Erdgeschosswohnung eingezogen und habe ab da das ganze Haus tyrannisiert. Man habe aber gewusst, dass sie psychisch krank sei und dass sie schon in einer entsprechenden Klinik war. Sie habe gegenüber ihm immer wieder behauptet, sie würde von Stasi-Agenten verfolgt, die er in seiner Wohnung einquartiert hätte.

Angeklagte warf mit Steinen

Dann berichtet der Zeuge, dass die Frau wochenlang ihren Backofen beheizt habe und dass sie mehrere Tage lang das Wasser auf Allgemeinkosten laufen ließ, den Strom für das ganze Haus blockierte und auf ihrer Terrasse auch ab und zu mal Feuer gelegt habe. Man habe mit der Frau nicht reden können, denn sie gab durch einen Zettel bekannt, dass sie ein „Schweigegelübde“ aus religiösen Gründen abgelegt hätte.

Weiter berichtete der 73-Jährige, dass die Beschuldigte ihn und seine Ehefrau einmal von ihrer Terrasse aus mit faustgroßen Steinen beworfen, ihn aber nicht getroffen habe. In der Anklage ist dieser Vorgang als versuchte gefährliche Körperverletzung dokumentiert. Der Zeuge hatte im März letzten Jahres, nachdem dieser Steine-Angriff geschah, Strafanzeige gegen die 65-Jährige erstattet, die daraufhin per Strafbefehl verurteilt wurde. Bei dieser Aussage meldete sich die Frau von der Anklagebank aus, bezeichnete die Aussage des Zeugen als „Frechheit“ und beschuldigte ihn der Falschaussage. Der Vorsitzende Richter der Strafkammer belehrte daraufhin die Angeklagte über die Vorschriften der Strafprozessordnung, wonach derartige Bezeichnungen gegenüber einem Zeugen nicht statthaft seien. Das „Steinewerfen“ bezeichnet die Beschuldigte übrigens als „Spielen mit Steinen“.

Was den Brand vom Nachmittag des 12. Februar dieses Jahres betrifft, seien er und seine Ehefrau gerade im Urlaub in München gewesen, als sie einen Anruf mit der Mitteilung des Feuers im Haus bekamen: „Wir sind sofort nach Kirchheim zurückgekehrt und haben unsere Wohnung total verraucht vorgefunden“, sagt er. Man habe, so der Zeuge in seiner Aussage, jahrelang immer wieder die Polizei benachrichtigt, wenn die Frau ausgerastet sei. Doch als die Beamten erschienen, habe sie sich in der Wohnung eingeschlossen und nicht geöffnet. Unverrichteter Dinge sei die Polizei dann jeweils wieder abgezogen. Und man sei in einer ständigen Angst vor ihr gewesen. Bernd Winckler