Kirchheim

Im Speckgürtel herrscht Angst vor dem Fiskus

Grundsteuer Nach dem Urteil der Richter in Karlsruhe ist die Verunsicherung groß. Vor allem dort, wo Wohnen besonders teuer geworden ist. Von Bernd Köble

Wohnen in Kirchheim ist teuer. Ob die Reform der Grundsteuer zur Mehrbelastung wird, ist für viele Hauseigentümer die spannende
Wohnen in Kirchheim ist teuer. Ob die Reform der Grundsteuer zur Mehrbelastung wird, ist für viele Hauseigentümer die spannende Frage.Foto: Carsten Riedl

Es geht um viel Geld. Knapp 13 Milliarden Euro nehmen Kommunen bundesweit im Jahr an Grundsteuer ein. Allein in Kirchheim war dies 2017 mit 7,4 Millionen Euro die drittstärkste Einnahmequelle der Stadt. Nach dem Urteil der Verfassungsrichter vom Dienstag, wonach die Grundsteuer neu berechnet werden muss, herrscht Verunsicherung und Bangen auch bei Häuslesbesitzern und Grundeigentümern. Der Grund: Immobilien- und Bodenpreise sind im Speckgürtel rund um Stuttgart besonders stark gestiegen. Eine Neubewertung nach Verkehrswert würde die Steuerlast bis zum vierzigfachen in die Höhe treiben, wie Experten prophezeien.

Für Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker ist klar, dass ein gerechter Kompromiss gefunden werden muss und zwar schnell. „Jeder Einschnitt bei der Grundsteuer reißt den Kommunen ein Loch in die Kasse“, sagt sie. „Wenn es vom Bund mehr Geld gibt für Bildung und Kinderbetreuung, dann können wir gerne über Grundsteuersenkungen reden.“ Sie sagt aber auch: „Eine Besteuerung nach Verkehrswert wäre für Eigentümer hier in Kirchheim eine viel zu hohe Belastung. Keiner sollte dafür bestraft werden, dass er im Verdichtungsraum lebt.“

Während ihr Parteigenosse und neuer Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gestern bereits ankündigte, dass die Berliner Koalition keine verkappte Steuererhöhung plane, drängt bei der Suche nach einem praktikablen Modell die Zeit. Ende 2019 läuft die Frist ab. Eine Situation, die für Andreas Schwarz, den Kirchheimer Grünen-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, vermeidbar gewesen wäre. „14 Bundesländer, darunter Baden-Württemberg, hatten einen machbaren Reformvorschlag vorgelegt, der auch die Unterstützung der kommunalen Ebene im Land fand“, sagt Schwarz. „CDU und SPD im Bund haben es versäumt, daraus ein brauchbares Gesetz zu stricken.“ Seine Forderung: Kommunen wie Steuerzahler dürfen am Ende nicht weniger in der Tasche haben. Gleichzeitig soll die Reform bezahlbaren Wohnraum fördern. „Wir wünschen uns eine Grundsteuer, die mehr Anreize für die Bebauung brachliegender innerörtlicher Grundstücke setzt.“

Ob die Grundsteuer weiterhin auf Mieten umgelegt werden kann, muss der Gesetzgeber ebenfalls rasch klären. „Ich sehe das kritisch“, meint Kirchheims Rathauschefin, die sich jahrelang ehrenamtlich in der Mieterberatung engagiert hat. „Hier einen Schnitt zu machen, halte ich zumindest für nachdenkenswert.“