Eigentlich ist jetzt Zeit fürs Abendessen. Millicent Muhindi steht in der WG-Küche und wundert sich. Wo sind Nico und Uwe – ihre beiden Mitbewohner? Eigentlich wollten sie gleich zusammen griechischen Salat machen. Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Oliven – das schnippelt sie doch jetzt nicht alles allein. „Komme gleich“, ruft Nico Schwend fröhlich aus dem Bad. „Was hast du denn da jetzt noch gemacht?“, fragt sie ihn. „Na, noch eine Waschmaschine an!“ Nico Schwend lebt in einer inklusiven WG in der Saarstraße zusammen mit Millicent Muhindi, sie macht ihren Freiwilligendienst bei der Lebenshilfe Kirchheim. Und mit Uwe Stifter. Aber wo steckt er eigentlich? Nico Schwend klopft an Uwe Stifters WG-Tür. Einmal, zweimal, lauter. Uwe wird doch gebraucht. Er ist der Zwiebelexperte, sagt Nico Schwend. „Millicent und ich müssen beim Zwiebeln-Schneiden immer weinen.“ Uwe nicht.
Die beiden wohnen seit fünf Jahren gemeinsam in der Dreier-WG im ersten Stock in der Saarstraße. Mit Blick in den Lebenshilfe-Hof, gegenüber ist das Wohnheim. Neu in die WG kommt immer nur der Bufdi. „Früher hatten wir eine WG extra für unsere Bufdis und das Wohnheim für die Menschen mit Behinderung“, erzählt Wohnbereichsleiter Benjamin Langhammer. „Dann haben wir gedacht – warum können die Menschen mit Behinderung und die Bufdis nicht zusammen wohnen?“ So ist die inklusive WG entstanden.
Doch jetzt muss Uwe Stifter her. Millicent Muhindi klopft noch einmal an der Tür. Schritte – Uwe Stifter öffnet – streicht sich über den Kopf. „Ich hab mich noch schnell ausgeruht, war todmüde von der Arbeit in der Werkstatt.“
Millicent Muhindi steht in der WG-Küche, Oliven, Gurken und Paprika hat sie schon geschnitten, Nico Schwend hat ein rotes Brett mit einem Berg Tomaten vor sich. Ein Platz hinten in der Küche ist noch frei, und da liegen die Zwiebeln. Uwe Stifter macht sich an die Arbeit. Millicent Muhindi zieht immer wieder ihr Handy aus der Tasche – Chefkoch hat das Rezept für griechischen Salat. „Nico, vielleicht ein bisschen kleiner, oder?“ „Was?“ Nico Schwend schaut von seinem roten Brettchen hoch. „Na, die Tomaten!“ Uwe Stifter kichert und ist fertig mit den Zwiebeln. Und Nico Schwend präsentiert stolz seinen Tomatenberg. „Ist das jetzt klein genug, junge Frau?“
Und sonst so? Wie ist das Zusammenleben? „Ich wäre streng dagegen, auszuziehen“, sagt Nico Schwend. „Wir schauen zusammen Filme an oder laden abends Kollegen ein. Das gefällt mir ganz arg.“ Filmabende und Musikhören, das mag auch Millicent Muhindi sehr. „Ich lerne hier viel im Alltag mit den Menschen. Und wir freuen uns so viel gemeinsam.“ Nur von Religion wolle der Nico nicht so viel hören. Die sei dem Uwe aber wichtig. Nico Schwend selbst mag Helene Fischer und den VfB. In seinem Zimmer hängen große Poster. Uwe Stifter war schon mal auf einem Helene-Fischer-Konzert, mit Fußball kann man ihn jagen.
„Klar, die Konfliktbewältigung ist ein Teil meiner Arbeit, es ist wie in jeder Familie und jeder WG.“ Heilerziehungspflegerin Martina Offenwanger ist einmal in der Woche in der WG und unterstützt bei Einkaufslisten und Gesprächen. Und was sind die Themen? „Na, der eine braucht zu lang im Bad, der andere hat nicht geputzt.“ „Nicht wegrennen – reden“, sagt Nico Schwend, das helfe immer bei Streit. „Wir können ja auch immer zum Wohnheim rüber, wenn was ist.“
Der Salat ist gegessen. Die drei haben über Kenia gesprochen, über Millicent Muhindis Herkunftsland. Dann über Nelson Mandela, kurz über Fußball und noch kürzer über den Papst. Nico Schwend hat darauf geachtet, dass alle genug Saftschorle trinken. „Weil trinken gesund ist.“ Uwe Stifter hat das Essen gelobt, Millicent Muhindi das Brot verteilt.
Doch wer macht jetzt den Abwasch? „Kommt, schnell, wir alle zusammen!“, sagt Millicent Muhindi. Sie muss rüber ins Wohnheim, zur Spätschicht. Sie füllt das Spülbecken und schnappt sich den Schwamm. Nico Schwend und Uwe Stifter tragen vorsichtig das Geschirr in die Küche. „Wie schade, dass Teller nicht laufen können“, sagt Uwe Stifter. Und Nico Schwend muss lachen. Dann trocknen sie ab. Gemeinsam und Nebeneinander. In ihrer kleinen WG-Küche. Und kichern dabei immer noch.