Kirchheim
In Lindorf spielt die Musik

Jahreskonzert Ob Jugend- oder Stammkapelle, der Musikverein Lindorf liefert ein musikalisch hervorragendes ­Potpourri ab. Jürgen Martin bekommt die Landesehrennadel überreicht. Von Sabine Ackermann

Ohne vorherige Ankündigung verteilen sich die jungen Musiker auf der Bühne – das Gemurmel verstummt. „Hock di na, se kommet, s’goht glei los“ – leise und doch hörbar delegiert vermutlich eine Ehefrau ihren Mann auf seinen Platz.

Danach wird’s schwungvoll, bereits beim ersten Stück „Disco Frisco“ beweist die Jugendkapelle, was sie draufhat. Beifall, Begeisterungsrufe – so kann’s weitergehen. „Es ist uns allen eine große Freude, unser Jahreskonzert nach vier Jahren Pause in der neuen Eduard-Mörike-Mehrzweckhalle durchzuführen – fühlen Sie sich alle als Ehrengast“, begrüßt anschließend Ortsvorsteher Dr. Alexander ­Forkl die zahlreichen Besucher, erklärt kurz den Ablauf und betont mit Blick auf das kommende Jubiläumsjahr: „Die Vorbereitungen laufen schon auf Hochtouren.“

Dass der MV Lindorf „längst eine feste Größe im wesentlichen Teil des kulturellen Lebens der Stadt“ sei, davon ist Kirchheims Oberbürgermeister überzeugt. „Mit der Halle haben Sie einen passenden Rahmen für Ihr Jahreskonzert“, findet Dr. Pascal Bader und verrät, dass der Musikverein auch an deren Planung aktiv beteiligt war.

Frisch durchs bunt gemischte Programm führen „Querflöte“ Sina Sieger und „Trompete“ Nico Strähle, die jeweils in beiden Orchestern spielen. Sie sagen einiges zu den ausgesuchten Titeln, wie beispielsweise „Thinking out loud“, den Singer-Songwriter Ed Sheeran 2014 „unter einer halben Stunde spontan komponiert hat“. Unter dem Dirigat von Jürgen Martin folgt mit „Antigua Bay“ eine schöne Kombination aus melodischen Synkopen, Taktwechseln sowie harmonischen Verläufen – Querflöten-Soli inklusive.

Nachdem man sich vom Gedanken, am Meeresstrand zu liegen, lösen musste, stellen sich einige Mitglieder der Jugendkapelle vor und erzählen, was sie dort alles machen und erleben. Nach dem Stück „Don’t fear the Reaper“, in dem es um Liebe und Tod geht, sowie dem „Super-Hit-Mega-Mix“, der vom Publikum im Klatsch-Rhythmus untermalt wird, verabschieden sich die jungen Musikanten nach ihrer Zugabe unter tosendem Beifall.

Musikalische Familie

„In den vergangenen 50 Jahren stecken ganz viel Musik, insbesondere mit der Trompete, sehr viel Leidenschaft, Begeisterung und Ausdauer sowie ganz viel Engagement“, zählt Bürgermeisterin Christine Kullen auf, die Jürgen Martin mit der seltenen Landesehrennadel auszeichnet. Seit dem 1. April 1970 ist er aktiv im Musikverein Lindorf (siehe Infokasten), infiziert von seinem Vater. Zudem spielen seine Frau, drei Kinder und Schwester in der Stammkapelle mit. „Sie fördern nicht nur die musikalischen Talente der Kinder und Jugendlichen mehrerer Generationen, sondern genießen auch das Vertrauen der jungen Menschen in ihrem Verein“, sagt Christine Kullen und schiebt nach: „Dazu tragen sicherlich auch ihre große Geduld und ihre Offenheit für Neues bei.“ Darüber hinaus sei er zuständig für den reibungslosen Ablauf der Gesamtproben der Jugendkapelle, die legendären Jugendfreizeiten sowie für Sonderaufgaben als Ausschussmitglied.

Kaum war die Nadel angeheftet und das von seinen Musikern bekommene XXL-Nutella-Glas mit Daumen nach oben abgesegnet, zeigt Jürgen Martin, dass er obendrein ein großartiger Trompeter ist. Gemeinsam mit Ehefrau und Saxofonistin Sigune, Sohn Adrian an der Trompete und Schwester Gabriele mit der Klarinette spielt er das Stück „Tribute to Dixie“ und beweist damit, wie dynamisch und fröhlich Familie doch sein kann. Unterstützt werden die vier dabei von der Stammkapelle unter dem Dirigat von Marco Grois, die bereits zuvor mit Titeln wie „Die Pyramide“, Erkennungsmelodie einer ehemaligen Quizshow von Dieter Thomas Heck, die Fantasiereise nach „Oregon“ sowie dem wunderschön gespielten „Barcarole“ aus Hoffmanns Erzählungen aufhorchen ließ. Schön, dass auch Benjamin Wachsmann, Bereichsleiter Spielbetrieb, Interessantes zu den jeweiligen Liedern zu sagen wusste. Mit „My Dream“ und dem energetischen „Santiano“ ging ein abwechslungsreiches und großartiges Konzert zu Ende, bei dem dank der selbst gemachten Häppchen von vier, fünf Musikerfrauen außerdem niemand hungrig nach Hause gehen musste.

 

Musikverein Lindorf zeigt sich facettenreich

Beginn Gegründet 1924 darf sich der Musikverein 2024 auf sein 100-jähriges Jubiläum freuen. Neben Jesingen, Nabern und Ötlingen ist Lindorf mit 1468 Einwohnern (Stand Juni 2011) zwar Kirchheims kleinster Teilort, hat aber einen sehr aktiven Musikverein mit einem guten Zusammenhalt zwischen Jung und Alt.

Mitglieder Die Stammkapelle hat 43 Mitglieder, die Marco Grois dirigiert. Jürgen Martin ist seit 1984 Dirigent der Jugendkapelle (25 Musiker), davon spielen 16 auch in der Stammkapelle, von der Martin seit 1986 Vize-Dirigent ist. Zudem leitet er seit 2011 die Bläsergruppe. Trotz Pandemie gab es keinen Mitgliederschwund.

Engagement Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft kulturtreibender Vereine (AG Kultur) ist der MV Lindorf jährlich bei mindestens sechs eigenen Veranstaltungen präsent und war maßgeblich unter Obhut des Ötlinger Alt-Ortsvorstehers Kik an der Planung der Eduard-Mörike-Mehrzweckhalle beteiligt. ack