Kirchheim

Jeder braucht aufmerksame Nachbarn

Polizei Einbrüche sind kein Phänomen der dunklen Jahreszeit mehr, können aber durch kleine Maßnahmen und mehr Aufmerksamkeit reduziert werden. Von Irene Strifler

Ganze Banden sind auf Einbrüche spezialisiert - wenn‘s nicht schnell geht, lassen sie oft von ihrem Vorhaben ab.Symbolbild: Jean
Ganze Banden sind auf Einbrüche spezialisiert - wenn‘s nicht schnell geht, lassen sie oft von ihrem Vorhaben ab. Symbolbild: Jean-Luc Jacques

Kirchheim ist attraktiv - nicht nur für seine Bürger und Stadtbummelnde, sondern auch für Diebe. Ursache ist die gute Verkehrsanbindung. Die Zahl der Wohnungseinbrüche liegt aus genau diesem Grund im gesamten Kreis Esslingen etwas über dem Durchschnitt im Ländle, das mit Bayern um den Titel des sichersten Bundeslandes streitet.

 

Angesichts eines insgesamt niedrigen Kriminalitäts-Levels wollte Polizeioberrat Fabian ­Mayer, Leiter des Polizeireviers Kirchheim, den Kirchheimer Stadträten auch nicht bange machen, als er über die Situation unter der Teck Bericht erstattete. Dennoch: Speziell Wohnungseinbrüche mit Diebstählen sind hier kein Phänomen der dunklen Jahreszeit mehr. Das Polizeipräsidium Reutlingen hat darauf mit einer Ermittlungsgruppe reagiert, die in Nürtingen angesiedelt ist, auch im Kirchheimer Revier sind zwei Beamte auf Einbruchsdelikte spezialisiert. Zwei Gruppierungen machen den Fachleuten in Kirchheim zu schaffen: Aufgrund der Nähe zur Autobahn gibt es Diebesbanden, die auf Beutezügen große Strecken zurücklegen. Andere vernetzen sich mit Landsleuten, die hier vorübergehend sesshaft werden, und grasen den Markt gezielt ab.

 

„Angst-Räume gibt es nicht“

 

Verschärfte Kontrollen, erhöhte Polizeipräsenz, aber auch vorbeugende Maßnahmen wie die Beratung der Bevölkerung gehören zu den „strategischen Zielen“, mit denen das Präsidium Reutlingen den Banden Einhalt gebieten will. „Jeder braucht sensible Nachbarn“, betont Mayer, wie wertvoll für die Beamten Hinweise aus der Bevölkerung sind, die beispielsweise auffällige Autos im Wohngebiet betreffen. „Wir wollen mit den Bürgern in ständiger Kommunikation bleiben“, ist für den Polizeioberrat logische Konsequenz.

 

Besonders am Herzen liegt ihm das Sicherheitsgefühl auf öffentlichen Plätzen, das die Beamten durch verstärkte Präsenz, teils auch in Zivil, erhalten wollen. Denn: In Kirchheim gibt es keine „Angst-Räume“, also Areale, in die sich Bürger abends nicht trauen. Das soll auch so bleiben. Speziell im Innenstadtbereich will die Polizei an Wochenenden jetzt nachts ständig mit einer Streife unterwegs sein. Auch an der Ordnungspartnerschaft für einen sicheren Bahnhof bleibt der neue Revierchef dran: „Wir wollen, dass jeder jederzeit zum Zug laufen kann.“

 

Doch natürlich hat auch das Polizeirevier nicht unendlich Personal, und die Zeiten, in denen eine Uniform unverletzlich zu machen schien, sind längst vorbei. „Oft treffen wir auf eine große Grundaggressivität“, räumt Mayer ein. - Eine Tatsache, die viele Stadträte, die Oberbürgermeisterin und sicher zahlreiche Bürger aus eigenem Erleben bestätigen können. Angelika Matt-Heidecker hält eine Abkehr von dem Ideal für möglich, Schulhöfe für die Bevölkerung offen zu halten. Sachbeschädigungen und mehr sorgen nicht nur an der Freihof-Realschule regelmäßig für Probleme. Verwaltung und Polizei tauschen sich demnächst darüber näher aus.

 

Insgesamt ist die Zahl der Straftaten in der Stadt Kirchheim, parallel zum Landkreis, auf ein Fünf-Jahres-Hoch gestiegen. In absoluten Zahlen: Während 2015 in der Statistik 2360 Straftaten vermerkt wurden, waren es im Jahr 2016 dann 2695, im Jahr 2014 dagegen 2391. Die Aufklärungsrate liegt bei 53 Prozent und damit leicht unter dem Landesdurchschnitt. Das allerdings hängt mit der Art der Delikte zusammen. Zugenommen haben von 2015 auf 2016 nämlich um fast 30 Prozent vor allem allgemeine Sachbeschädigungen. - Bei Gruppen, die mit zerstörerischem Ziel nächtens durch die Stadt ziehen, ist das Ermitteln des Täters oft schwierig. Ebenso bei Sachbeschädigungen an Autos, die das gleiche Plus aufweisen. Um etwas über 20 Prozent zugenommen haben die Diebstähle, darunter viele Diebstähle ungesicherter Fahrräder. Vergleichsweise gering angewachsen ist die Zahl der „Rohheitsdelikte“, bei denen Streithähne ihr Problem nicht mehr verbal lösen. Sie stiegen um knapp 15 Prozent von 356 auf 409 - und geben dennoch Anlass zur Sorge: Fabian Mayer bemerkt, dass in der Gesellschaft Konflikte mehr und mehr über körperliche Auseinandersetzung ausgetragen werden. Oft werden beide angezeigt, eine klare Trennung zwischen Täter und Opfer gibt es nicht.

 

Mehr Verkehrskontrollen

 

Kontrollen verschärfen will die Polizei auch beim Verkehr. So manche Routineüberprüfung entpuppt sich als Schlüssel zur Aufklärung größerer Fälle. Aber auch wenn die Hauptunfallursachen Vorfahrtsnahme, überhöhtes Tempo und zu geringer Abstand reduziert werden können, ist das ein Erfolg. Immerhin stieg die Zahl der Unfälle im Revier von 2015 auf 2016 um zwölf Prozent, darunter neun Prozent mehr Personenschäden - überwiegend Leichtverletzte. Die Zahl der Schwerverletzten hat sogar abgenommen.

 

Fachmann für Kriminalität: Fabian Mayer
Fachmann für Kriminalität: Fabian Mayer, Foto: Jean-Luc Jacques