Morgens auf dem Weg zur Arbeit: Die freie Tankstelle im Esslinger Süden zeigt 1,89 Euro für den Liter Super E 5. Bei der Ankunft in Kirchheim etwa 20 Minuten später folgt der erneute Blick auf die Benzinpreise: Für dasselbe Produkt werden Preise zwischen 2,04 und 2,09 Euro angezeigt – macht eine satte Differenz von 15 bis 20 Cent. „Ich komme mir da selber veräppelt vor“, sagt einer, der vermeintlich von den höheren Preisen profitiert. Jochen Friess ist Inhaber der RAN-Tankstelle in der Kirchheimer Schöllkopfstraße. Die Preise, sagt er, würden von der Zentrale automatisch umgestellt, da könnte man gar nichts machen. Und wenn er nach Backnang fahre und dort den Diesel für 30 Cent weniger sieht, versteht er das genauso wenig wie seine Kunden.
Dass es bundesweit ein Nord-Süd-Gefälle gibt und der Raum Stuttgart im Vergleich zu Bayern günstiger ist, wurde vielfach berichte. Dass Kirchheim und Umgebung innerhalb des Großraums Stuttgart eine „Hochpreisregion“ ist, wie es Zuschriften an den Teckboten vermuten lassen, ist dagegen nicht belegt. „Es hängt immer davon ab, zu welchem Zeitpunkt sie an eine Tankstelle kommen“, sagt Karl Boßler, Inhaber einer freien Tankstelle in Dettingen. „Die bewegen sich innerhalb von zehn Minuten, aber das kriegt der Kunde dann nicht mehr mit.“
Dichtes Netz bringt „Preistrichter“
Fachleute sprechen bei einem dichten Tankstellennetz von einem sogenannten Preistrichter. Das bedeutet: Senkt ein naheliegender Benzinverkäufer die Preise, ziehen die übrigen nach, um keine Kunden zu verlieren. „Die täglichen Preissprünge nehmen zu, sind aber ähnlich“, sagt Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbands des Tankstellengewerbes (ZTG). Das habe auch mit dem ausgelaufenen Tankrabatt zu tun und unterschiedlichen Mengen, die Tankstellen jeweils noch vorrätig hatten. Der ADAC hat in einer Studie eine Preisdifferenz zwischen dem teuersten Zeitpunkt um 7 Uhr und der günstigsten Phase zwischen 18 und 19 oder 20 bis 22 Uhr von rund zwölf Cent pro Liter ermittelt.
Ein Verstärker ist dabei die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe, die Ende 2013 ihren Betrieb aufnahm. Diese ist eine Einheit des Bundeskartellamtes und überträgt die jeweils aktuellen Spritpreise über Apps an Mobiltelefone und Navigationsgeräte in Echtzeit. „Die nutzen aber nicht nur Verbraucher, sondern auch die Tankstellen“, sagt Jürgen Ziegner. In der Regel wird die Änderung elektronisch aus der Zentrale vorgenommen. „Das kriege ich oftmals gar nicht mit“, sagt RAN-Pächter Jochen Friess, dessen Tankstelle wie 42 weitere zur Südramol-Gruppe mit Sitz im bayerischen Burgau gehört.
Manche machen Mischkalkulation
Vereinzelt kann es auch stark unterschiedliche Teilmärkte geben: Wenn kein „Unterpreiser“ in der Nähe ist, dafür aber eine Autobahnauffahrt in der Nähe: Da können auch innerhalb weniger Kilometer dauerhaft unterschiedliche Preise aufgerufen werden.
„Derzeit machen auch viele Tankstellen eine Mischkalkulation“, führt Karl Boßler, Betreiber einer freien Tankstelle in Dettingen, einen weiteren Punkt an. Das heißt: Wer billiges Super habe, schlage beim Diesel mehr drauf. Außerdem hänge es vom Einkaufspreis und der Menge ab, die ein Tankstellenpächter vorrätig habe. Übrigens ist der Diesel derzeit teurer, weil die russischen Liefermengen wegfallen und die Industrie bei bestimmten Produktionsprozessen Gas wieder durch Heizöl ersetzt.
Der Realitäts-Check des Autors belegt: Am selben Tag um 16 Uhr ist der Unterschied zwischen den eingangs genannten Tankstellen deutlich geringer. Während die Freie Tankstelle in Esslingen immer noch 1,89 Euro anzeigt, liegt die Kirchheimer RAN bei 1,95 Euro.
Für die Autofahrer bleibt daher nur, strategisch zu tanken. Karl Boßler hat einen Tipp: „Fahren Sie nicht den Tank leer, sondern tanken Sie bei halbvollem Tank. Dann können Sie warten, bis Sie eine Tankstelle mit einem guten Preis finden, und sind nicht auf sofortiges Tanken angewiesen.“