Kirchheim

„Jetzt kommt der Abschnitt Ruhestand“

Gottesdienst Am ersten Weihnachtsfeiertag verabschieden sich Pfarrer Gottfried Settgast und seine Frau Doris nach achteinhalb Jahren von der Thomaskirchengemeinde. Im Februar ziehen sie nach Berlin. Von Andreas Volz

Nach achteinhalb Jahren brechen Gottfried und Doris Settgast ihre Zelte in der Thomaskirche ab. Foto: Jean-Luc Jacques
Nach achteinhalb Jahren brechen Gottfried und Doris Settgast ihre Zelte in der Thomaskirche ab. Foto: Jean-Luc Jacques

Es wird ein Abschied mit vielen Facetten: Gottfried und Doris Settgast stehen am 25. Dezember beim Weihnachtsgottesdienst in der Kirchheimer Thomaskirche im Mittelpunkt. Wenige Wochen später verlassen sie die Kirchengemeinde wie auch die weltliche Gemeinde: Im Februar ziehen die beiden nach Berlin. Schon heute freuen sie sich auf viele Begegnungen, sei es nun in Kirchheim oder in Berlin.

Abschiede gehören bei Pfarrern zum Berufsbild. In fast 40 Berufsjahren waren es bei Gottfried Settgast einschließlich Vikarszeit sieben Stationen innerhalb der württembergischen Landeskirche. Hinzu kommt noch die erste Vikarsstelle - in der Bach-Stadt Köthen in der damaligen DDR.

„Während ich mich in der einen Gemeinde verabschiedet habe, konnte ich mich schon auf die neue Aufgabe in der nächsten Gemeinde freuen“, stellt Pfarrer Settgast fest. Das ist dieses Mal nicht so: „Jetzt wartet zwar auch eine neue Aufgabe, aber es ist eine ganz andere Aufgabe. Jetzt kommt der Abschnitt Ruhestand.“

Etwas völlig Neues

Das ist etwas völlig Neues. Schon die ungewohnte Wohnungssuche gestaltete sich schwierig: Oft war spontanes Pendeln mit dem Fernbus angesagt, um einen Besichtigungstermin wahrnehmen zu können. Zudem steht Gottfried Settgast vor einer völlig neuen Herausforderung: „Das größte Problem beim Umzug in eine Drei-Zimmer-Wohnung sind meine Bücher. Es tut mir sehr leid, wenn ich viele davon wegschmeißen muss.“ Texte braucht er gedruckt, auf Papier. „Elektronisch lese ich keine Zeitung und auch kein Buch.“

Das Buch der Bücher, aus dem er beruflich so oft vorgelesen hat, liegt am Montag nur noch einmal vor ihm, solange er in offizieller Funktion ist: „Das ist mein letzter Gottesdienst als Pfarrer“, sagt Gottfried Settgast: „Ich habe dann noch ein paar Tage Urlaub, die ich bis Ende Januar genommen haben muss.“ Spätere Gottesdienste als Ruhestandspfarrer sind nicht ausgeschlossen. Als Gast kommt er gerne zurück in die Thomaskirche.

Abschiedgottesdienst am 25. Dezember

Der Umzug ist für Februar geplant, und zwar ganz bewusst erst nach der Vesperkirche: „Wir können die Veranstaltung ja nicht durch einen Umzugs-Lkw stören.“ Bescheidenheit und die Zurücknahme von persönlichen Interessen gehören für Gottfried Settgast und seine Frau Doris zum Selbstverständnis. Deswegen betonen sie vor dem Abschiedsgottesdienst, der um 10.30 Uhr beginnt: „Uns ist es wichtig, dass das ein ganz normaler Weihnachtsgottesdienst wird, wie immer.“

Im Anschluss ist ein Stehempfang vorgesehen. Aber auch da setzt Gottfried Settgast im Vorfeld schon verbale Zeichen: „Wir wollen die Leute an diesem Tag nicht lange aufhalten.“ Schließlich feiern fast alle mit ihren Familien. In gewisser Weise trifft das auch auf das Ehepaar Settgast zu. Weil die beiden keine Kinder haben, war für sie die jeweilige Kirchengemeinde immer eine große Familie.

Das Leben Gottfried Settgasts wäre eigentlich eine eigene Geschichte wert: Seine erste Frau Martha lernte er in Siebenbürgen kennen. Nach deren Ausreise aus Rumänien beantragte er selbst die Übersiedlung nach Heilbronn, zwecks Familienzusammenführung - und fand sich statt als Vikar 1978 plötzlich als Arbeitsloser wieder, dem man hier im Kalten Krieg zunächst misstraute.

Drei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er 2000 erneut. Seine Frau Doris stammt aus Südafrika. Kennengelernt hatte er sie über ihren Bruder, dem er in Tübingen begegnet war. 2013 war er mit einer Krebserkrankung konfrontiert, die er mittlerweile gut überstanden hat. Auch dabei denkt er weniger an sich als an seine Gemeinde: „Das war für alle ein Schock, nachdem ja Wilfried Krause, der die Gemeinde über Jahre hinweg geprägt hatte, schon an Krebs gestorben war.“

Doris Settgast weiß also gut, wovon sie spricht, wenn sie den Ruhestand und den Umzug nach Berlin als Start in eine neue Phase des Lebens sieht - „solange wir die Kraft und die Gesundheit haben.“