Kirchheim
Juniorpartner fürchten Zugeständnisse

Regierungsbildung Die Grünen im Land starten morgen ihre Sondierungsgespräche für mögliche Koalitionen. CDU, SPD und FDP im Kreis Esslingen sehen sich in eher schwachen Verhandlungspositionen. Von Andreas Volz

Wer das große Los zieht, hat freie Auswahl. Was auf dem Jahrmarkt gilt, lässt sich auf die Politik übertragen - zumindest nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg: Die Grünen sind in der komfortablen Lage, sich ihre Koalitionspartner aussuchen zu können. Entweder regieren sie weiterhin mit der CDU - oder sie führen erstmals die „Ampel-Regelung“ im Südwesten ein und führen eine Dreier-Koalition mit der SPD und mit der FDP an.

Einer, der an vorderster Stelle mitverhandelt, ist der Kirchheimer Andreas Schwarz. Als Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag gehört er neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann und den beiden Vorsitzenden der Landes-Grünen zur Vierergruppe, die in den Sondierungsgesprächen die Möglichkeiten für künftige Regierungskoalitionen auslotet. „Wir führen diese Gespräche mit jeder Partei einzeln“, sagte er gestern gegenüber dem Teckboten.

Erste Gespräche mit der CDU

„Am Mittwoch beginnen wir mit der CDU, dann folgen SPD und FDP. Wir halten uns strikt an die Größenordnung der Fraktionen - sodass man in die Reihenfolge nichts hin­eininterpretieren kann.“ Wichtigste Themen seien nun der Klimaschutz und die Wirtschaft im Land: „Es geht darum, eine ­stabile, verlässliche Regierung zu bilden. Die Partner müssen sich darüber im Klaren sein, wie sie Baden-Württemberg gemeinsam in eine gute Zukunft führen wollen.“

Die CDU hatte gestern eine Fraktionssitzung - mit alten und neuen Abgeordneten. Kirchheim war zwei Mal vertreten: mit Karl Zimmermann und seiner Nachfolgerin Natalie Pfau-Weller. „Die Initiative liegt bei den Grünen. Da brauchen wir uns das Wahlergebnis nicht schönzureden“, meint Natalie Pfau-Weller. Natürlich wolle sich die CDU wieder an der Regierung beteiligen. „Aber wir müssen abwarten, was wir an Zugeständnissen machen müssten.“ Sie selbst sei zwiegespalten, was den richtigen Weg in der Regierungsfrage betrifft. Definitiv müsse sich ihre Fraktion personell und inhaltlich neu aufstellen.

Karl Zimmermann geht davon aus, dass die Grünen weiterhin mit der CDU zusammenarbeiten wollen: „Zum Wohl des Landes ist Grün-Schwarz die richtige Lösung.“ Allerdings hätten die Grünen bei einer Fortführung der bisherigen Koalition „ein gewisses Problem mit ihrer Basis“. Dennoch setzt er auf die Vernunft der Verhandlungsführer bei den Grünen.

Andreas Kenner, dem der Wiedereinzug in den Landtag gelungen ist, verweist auf den Wahlkampf der Grünen, der ganz auf Winfried Kretschmann zugeschnitten war, und kommt zu dem Schluss: „Kretschmann wird lieber mit der CDU regieren als mit uns und der FDP. In der Koalition könnte er die CDU kleinhalten - was wichtig wäre für die Zeit nach ihm.“ Dennoch stellt Andreas Kenner sowohl für die SPD als auch für die FDP fest: „Man will regieren.“

Er hat keine Bedenken gegen eine „Ampel-Koalition“, sollte es dazu kommen: „Stoch und ­Rülke kommen gut miteinander aus - und die können auch gut mit Kretschmann und Schwarz.“ Teilweise lägen FDP, Grüne und SPD aber weit auseinander, zum Beispiel beim Thema Bildung.

Ähnlich wie die CDU, sieht auch der SPD-Abgeordnete Andreas Kenner ein Problem für seine Partei bei allzu großen Zugeständnissen: „Da müssen wir uns schon fragen, ob wir alles mitmachen ­sollen, nur ­damit die weiterregieren ­können.“ In einer ähnlichen Lage wie die SPD bei der Fortführung der Großen Koalition in Berlin Ende 2017 sieht er jetzt die CDU in Stuttgart: „Die müssen sich das gut überlegen. Allerdings: Wenn die Grünen ein Angebot machen, wird es für die CDU auch schwierig, sich zu verweigern.“

Die Kirchheimer FDP ist im Landtag nicht vertreten. Aber der neue FDP-Abgeordnete für den Wahlkreis Nürtingen, Dennis Birnstock, stellt schon einmal fest: „Wir sind prinzipiell offen für Gespräche - mit allen ­demokratischen Parteien.“ Bei den Sondierungsgesprächen komme es für die FDP aber darauf an, „auch unsere eigene Handschrift in einem Koalitionsvertrag wiederzufinden.“ Das ist dieselbe Position gegenüber den Grünen wie bei den beiden anderen Parteien. Es wirkt ein wenig wie die Angst des Kaninchens vor der Schlange.

Die Möglichkeit einer „Deutschland-Koalition“ aus CDU, SPD und FDP, die rein rechnerisch besteht, spricht aber niemand an. Sie scheint demnach außerhalb jeder Vorstellung zu sein.