Kirchheim
Kampagne für Tempo 30 nur bei Nacht

Unterschriftenaktion  Die Junge Union Kirchheim hat eine Petition gestartet, die sich gegen Geschwindigkeitsreduzierungen am Tag ausspricht.  Von Andreas Volz

Tempo 30 erhitzt die Gemüter. Das hat sich in Kirchheim deutlich gezeigt, als die entsprechenden Schilder in Jesingen aufgestellt wurden. Manche gingen sogar dazu über, die Schilder aus dem Boden zu reißen. So etwas geht dem Gebietsverband Kirchheim der Jungen Union deutlich zu weit – obwohl die Nachwuchspolitiker der CDU eine klare Gegenposition zu Tempo 30 beziehen. Statt blindem Protest fordern sie jetzt aber eine erneute inhaltliche Debatte. Zu diesem Zweck haben sie eine Petition gestartet.

An Gründonnerstag hat die JU Kirchheim damit begonnen, Plakate im ganzen Stadtgebiet aufzuhängen und Handzettel zu verteilen, um auf ihre Aktion aufmerksam zu machen. Die Petition richtet sich an den Kirchheimer Gemeinderat und hat zum Ziel, dass sich das Gremium erneut mit Tempo 30 befassen möge.

Giancarlo Crescente, der Vorsitzende der JU Kirchheim, spricht von einer Kompromisslösung, die er und seine Mitstreiter erarbeitet haben: Wie in anderen Ortschaften auch, plädieren sie dafür, die Temporeduzierung auf die Nachtstunden zu beschränken und tagsüber weiterhin die bisher üblichen 50 Kilometer pro Stunde als Höchstgeschwindigkeit zu erlauben. In ihrem Forderungskatalog wird die Nachtzeit, zu der Tempo 30 gelten könne, als die Zeit von 22 bis 5 Uhr definiert. Andernorts endet die Nacht erst um 6 Uhr. Für Giancarlo Crescente ist das aber nur eine erste Diskussionsgrundlage: Entscheiden kann darüber ohnehin nur der Gemeinderat und nicht die Junge Union.

Wie kommt die JU auf ihre Forderungen? Giancarlo Crescente erwähnt Gespräche mit Handwerkern, und Feuerwehrmitgliedern ebenso wie bei Busunternehmen oder Fahrschulen. Sie alle hätten aus unterschiedlichsten Blickwinkeln davon berichtet, dass sie Tempo 30 tagsüber für kontraproduktiv halten. Auch für Berufspendler sei der Zeitfaktor entscheidend. Tempo 30 bremse sie im Berufsverkehr aus, ob sie nun selbst mit dem Auto unterwegs sind oder  aber den Bus benutzen.

„Mit Maß und Mitte“

Obwohl die Junge Union mit viel Elan Plakate aufgehängt hat, geht es Giancarlo Crescente nicht um plakative Meinungsäußerungen, sondern um „eine Kampagne mit Maß und Mitte“. Er zitiert Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass Tempo 30 nicht automatisch besser sein muss für den Umweltschutz als Tempo 50, im Gegenteil: „Die Belastung der Umwelt durch Stickstoffdioxid-Emissionen ist bei 50 sogar geringer als bei 30 Kilometern pro Stunde.“

Den Lärmschutz nimmt Giancarlo Crescente sehr ernst. Allerdings leitet er aus dem Lärmaktionsplan ab, dass Flüsterasphalt und schalldichte Fenster zur Straße hin ebenso dazu beitragen können, den Lärm zu verringern: „Unseres Erachtens sollte die Temporeduzierung erst dann greifen, wenn die anderen Maßnahmen nicht mehr weiterführen.“ Tagsüber falle der Unterschied zwischen 50 und 30 kaum auf. Auch deshalb ist die Junge Union dafür, bei Tag wieder das bisherige Tempo zuzulassen und stattdessen durch Tempo 30 eine bessere Nachtruhe für die Anwohner zu gewährleisten.

Abschließend betont der Kirchheimer JU-Vorsitzende: „Es geht uns nicht nur um Jesingen. Das war höchstens der Auslöser. Wir wollen in ganz Kirchheim die Tempo-Beschränkung auf die Nacht reduzieren.“ Wichtig ist ihm dabei, dass es hier ausschließlich um das Argument des Lärmschutzes gehe, nicht um die Verkehrssicherheit in Wohngebieten – wo Tempo-30-Zonen ja schon lange existieren. Auch seien kritische Bereiche wie Schulen oder Kindergärten von diesen Forderungen unberührt. Im Idealfall aber solle die Petition auch dazu führen, dass es in Kirchheim wieder möglichst einheitliche Geschwindigkeitsgebote gibt und dass nicht alle paar Meter andere Vorgaben gelten.

 

Junge Union beklagt sich über Zensurversuch

Kirchheim. „Wenn man Plakate aufhängen will, muss man sich das genehmigen lassen“, erklärt Giancarlo Crescente im Pressegespräch über die Plakataktion zur Tempo-30-Online-Petition der Jungen Union Kirchheim. Entsprechend habe seine Organisation form- und fristgerecht beantragt, im ganzen Stadtgebiet „Plakate zum Themenkomplex Mobilität“ anbringen zu dürfen. Die Stadt habe die Genehmigung erteilt – für einen Zeitraum von zwei Wochen. Die Junge Union habe die Gebühren für die Sondernutzungserlaubnis auch „ordnungsgemäß beglichen“, wie es nun in einer Pressemitteilung der JU heißt. Die Erlaubnis beziehe sich darauf, dass es um „Meinungsbildung von politischen Parteien“ geht.

Inzwischen habe die Stadt Kirchheim die Junge Union aufgefordert, ihre Plakate wieder abzuhängen. Giancarlo Crescente sagt dazu: „„In der E-Mail, welche an mich gerichtet war, war zu lesen, dass die Plakate nicht den inhaltlichen Vorgaben der Verwaltung entsprechen würde.“ In diesem Vorwurf sieht der JU-Vorsitzende einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und somit eine Form der Zensur. Die politische Meinungsbildung sei ein Prozess, in dem nicht von vornherein bestimmte Meinungen vorgeschrieben werden könnten: „Das ist eine massive Verletzung unserer parteilichen Freiheit. Ich wüsste nicht, dass ich unsere Plakate zuvor inhaltlich überprüfen lassen muss.“

Ganz so schnell will die Junge Union aber nicht klein beigeben. Vielmehr will sie sich der Anordnung „mit aller Härte entgegenstellen“. Dass das keine bloße Absichtserklärung ist, verdeutlicht die Wortwahl des Vorsitzenden, der in der Pressemitteilung abschließend wie folgt zitiert ist: „Hier wird versucht, staatlichen Druck auf politische Akteure auszuüben. Wir fordern die Stadt Kirchheim sowie Herrn Oberbürgermeister Bader auf, dies sofortig zu unterlassen und die Anordnung zurückzuziehen!“       Andreas Volz

 

JU ist am Karsamstag mit einem Stand in der Marktstraße vertreten

Die Petition der Jungen Union, die sich gegen Tempo 30 bei Tag richtet, lässt sich im Internet unter der Adresse ju-kirchheim.de aufrufen und – sofern man sich den Inhalten anschließen möchte – auch gleich online unterzeichnen. Am Karsamstag, 8. April, ist die Junge Union außerdem von 9 bis 15 Uhr mit einem Stand in der Marktstraße vertreten, wo Unterstützer auch auf Papier unterschreiben können. Beteiligen können sich nicht nur Einwohner Kirchheims, sondern auch Besucher, die von außerhalb kommen. Die Unterzeichnungsfrist endet am 28. Juni.    vol