Kirchheim

Kampf zwischen Kunst und Natur

Postplatz Werner Hauser macht sich weiterhin für den Brunnen in Kirchheim stark und fordert im Namen der Fondation André Bucher einen deutlichen Rückschnitt der Platanen. Von Andreas Volz

Aus technischen Gründen fehlt dem Brunnen am Kirchheimer Postplatz derzeit das Wasser. Unter künstlerischen Gesichtspunkten betr
Aus technischen Gründen fehlt dem Brunnen am Kirchheimer Postplatz derzeit das Wasser. Unter künstlerischen Gesichtspunkten betrachtet, fehlt ihm auch einiges an Licht, das ihm die Platanen ringsumher streitig machen.Foto: Jean-Luc Jacques

Kunst oder Natur - um diesen Gegensatz geht es in einem Streit, der seit vielen Jahren zwischen der Fondation André Bucher und der Stadt Kirchheim schwelt. Die Fondation vertritt posthum die Interessen des 2009 verstorbenen Genfer Künstlers. Der Stadt Kirchheim gegenüber stellt sie eine eindeutige Forderung: Die Platanen auf dem Postplatz müssen stark zurückgeschnitten werden, weil sie André Buchers Brunnen aus dem Jahr 1985 zu sehr in den Schatten stellen. Die Natur nimmt dem Kunstwerk das nötige Licht.

Die Stadt argumentiert anders: Nicht der Brunnen allein sei stadtbildprägend. Dasselbe Adjektiv könnten auch die Platanen für sich beanspruchen. Der geforderte radikale Rückschnitt würde die Bäume zu stark beschädigen. Beide Positionen stehen sich so sehr entgegen, dass keine Kompromisslösung denkbar erscheint.

Protagonisten im Streit sind Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und ihr Vorvorgänger im Amt, Werner Hauser. Beide betonen, dass sie eher unfreiwillig in den Streit hineingeraten sind. Trotzdem vertreten beide in gleicher Weise beharrlich ihre jeweiligen Positionen.

So sind die Platanen in der Stuttgarter Königstraße geschnitten.Foto: Andreas Volz
So sind die Platanen in der Stuttgarter Königstraße geschnitten.Foto: Andreas Volz

Werner Hauser sagt im Gespräch gleich mehrfach: „Ich bin todunglücklich. Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich irgendwann einmal in einer solchen Situation wiederfinde.“ Für André Bucher sei es von größter Bedeutung gewesen, dass der Brunnen auf dem Postplatz im richtigen Wechselspiel zu den Bäumen steht.

Letztlich gehe es der Fondation darum, diesen künstlerischen Gestaltungswillen umgesetzt zu wissen. Werner Hauser steht in engem Kontakt zur Familie Bucher und hat versprochen, sich für das Werk einzusetzen, das unter seiner Ägide eigens für den Kirchheimer Postplatz geschaffen worden war.

Vor zwei Jahren war Werner Hauser sogar Mitglied einer vierköpfigen Putztruppe, die sich um die Reinigung der Bronzefiguren verdient gemacht hat. Jetzt stehe aber der nächste Schritt aus, das Zurechtstutzen der Bäume. Die Fondation André Bucher sei bereit, sich finanziell zu beteiligen: „Die Stadt soll doch nichts Besonderes machen, sondern nur das, was dem Brunnen wieder einigermaßen Leben bringt.“

Nach vielen Gesprächen und einem regen Schriftverkehr resigniert Werner Hauser so langsam: „Ich habe der Fondation gesagt, dass es keinen Sinn hat, wenn ich da weitermache. Ich will keinen Konflikt und keinen Krach.“ Gleichwohl sieht er jetzt als letzten Schritt nur noch die Möglichkeit, sich an die Öffentlichkeit zu wenden: „Es entwickelt sich zu einer politischen Frage.“ Der Gemeinderat müsse aus seiner Sicht sagen: „Wir wollen den Rückschnitt.“ Genau dieser regelmäßige Rückschnitt - wie er in Frankreich bei Platanen üblich sei, aber auch auf der Stuttgarter Königstra­ße - habe in Kirchheim gefehlt.

Angelika Matt-Heidecker beruft sich dagegen auf ein städtisches Gutachten, aus dem hervorgehe: „Diese Bäume sind großkronige Platanen, die man nicht schneiden kann. Es gibt immer mehr Schädlinge, die durch die zunehmende Wärme zu uns kommen. Jeder Schnitt würde weitere Angriffsflächen für diese Pilze erzeugen.“ Derzeit seien die Bäume in einem gesunden Zustand.

„Wenn wir die Bäume nicht stärker zurückschneiden, heißt das ja nicht, dass uns das Kunstwerk nicht am Herzen liegt.“ Aber das Stadtbild wird aus ihrer Sicht durch die Bäume ebenso geprägt wie durch den Brunnen. Nicht zuletzt würden die Platanen am Postplatz einen wichtigen Beitrag zum Kleinklima in der Stadt leisten. Wenn die Stadt trotzdem in den nächsten Jahren einzelne Äste entfernen lasse, habe das mit der Verkehrssicherungspflicht zu tun. Die Gefahr, dass Äste abbrechen, erhöhe sich aber um ein Vielfaches, wenn der geforderte deutliche Rückschnitt gemacht werde.

Der Forderung, die Angelegenheit in den Gemeinderat zu bringen, ist sie sogar nachgekommen, sagt Angelika Matt-Heidecker: „Ich bin damit in den Ältestenrat gegangen. Aber die Fraktionen haben gesagt, wir sollen die Bäume so lassen, wie sie sind. Der Gemeinderat befasst sich gar nicht erst damit. Das sei eine Aufgabe der Verwaltung.“

Der Streit scheint also entschieden zu sein - zugunsten der Natur und zuungunsten der Kunst. Wenn der Gemeinderat nicht noch einmal alles ganz neu aufrollt, ist ihm die politische Entscheidung abgenommen. Die Betrübnis von Alt-OB Werner Hauser wird wohl noch lange anhalten müssen.

André Buchers Werke in Kirchheim

André Bucher wurde 1924 in Mosambik geboren. Nach dem Studium der Kunst und Bildhauerei konzentrierte er sich ab 1967 nur noch auf letztere. Für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat er eine Skulptur mit dem Namen „Die Gerechtigkeit“ geschaffen, die auf der Sonderbriefmarke „50 Jahre Bundesverfassungsgericht“ von 2001 abgebildet ist.

In Kirchheim hat André Bucher, der am 6. Juni 2009 in Genf gestorben ist, außer dem Postplatzbrunnen mit Szenen aus der Sagenwelt rund um Teck und Neuffen in den 80er-Jahren noch weitere Kunstwerke für den öffentlichen Raum hinterlassen: die Figur „Atlas“ auf dem Krautmarkt sowie die beiden geometrischen Objekte „Gegenüberstellung“ und „Gegensätze“, die an der Eduard-Mörike-Schule in Ötlingen zu sehen sind.vol