Kirchheim
Kinderschutzbund Kirchheim sucht ehrenamtliche Mitarbeiter

Soziales Der Kirchheimer Verein braucht dringend freiwillige Helfer, die Treffen zwischen Kindern und getrennt lebenden Familienmitgliedern begleiten. Von Bianca Lütz-Holoch

An dem kleinen Tisch unter der großen Weltkarte spielen Vater und Tochter Uno. Wenige Meter entfernt, an der Tür zum Gang, sitzt Irmgard Selling-Brinkmann. Ihre Aufgabe: die Szene unauffällig beobachten und die Ohren offenhalten. Irmgard Selling-Brinkmann ist eine von derzeit 13 ehrenamtlichen Umgangsbegleiterinnen und -begleitern beim Kinderschutzbund Kirchheim. Das heißt, sie betreut Treffen zwischen Kindern und von ihnen getrennt lebenden Familienmitgliedern – meist Mütter oder Väter, manchmal aber auch Großeltern oder Geschwister.

 

„Zum Teil können sich die Eltern einfach nicht mehr sehen.
Herbert Schlund
Zweiter Vorsitzender des Kinderschutzbunds

 

„Immer mehr Familien haben Bedarf an begleitetem Umgang“, sagt Sonja Hofmann, pädagogische Fachkraft beim Kinderschutzbund Kirchheim. Die Nachfrage nach den geschützten Treffen ist hoch. Aktuell werden 38 Familien betreut, die Warteliste ist lang. „Nun suchen wir dringend neue ehrenamtliche Umgangsbegleitende“, so die Sozialpädagogin. Ausdrücklich erwünscht sind auch Männer. Fachkenntnis oder pädagogische Erfahrung brauchen die Ehrenamtlichen dagegen nicht. Alles Wissen, das sie benötigen, bekommen sie in einer ausführlichen Schulung vermittelt. Finanziert wird der betreute Umgang vom Landkreis Esslingen.

An den Kinderschutzbund verwiesen werden die Familien vom Familiengericht oder dem Jugendamt – oder sie kommen aus eigenem Antrieb. Ausgangspunkt ist immer, dass Kinder ein Recht darauf haben, beide Elternteile oder auch Großelternteile zu sehen. Nötig wird betreuter Umgang zum Beispiel, wenn es schwerwiegende Konflikte zwischen getrennten Elternpaaren gibt. „Der zweite große Bereich betrifft den Umgang von Kindern, die in Pflegefamilien leben, mit ihren leiblichen Eltern“, erzählt Sonja Hofmann. „Da braucht es Begleitung, weil die Kindswohlgefährdung nach wie vor besteht.“ Auch wenn Gewalt, Sucht oder psychische Krankheiten im Spiel sind, ist eine Beaufsichtigung oft unerlässlich.

Das Uno-Spiel zwischen Vater und Tochter verläuft vollkommen friedlich. In solchen Fällen hält sich Irmgard Selling-Brinkmann im Hintergrund und bleibt einfach in der Nähe – ein bisschen wie eine Anstandsdame. Schimpft aber ein Elternteil über das andere oder fragt das Kind aus, muss die Betreuerin eingreifen. „Ich weise dann auf die Regeln hin und breche das Treffen notfalls ab“, erläutert Irmgard Selling-Brinkmann. Nach jedem Treffen wird der Verlauf protokolliert.

Klare Aufgabe

Seit 2018 arbeitet Selling-Brinkmann nun als ehrenamtliche Umgangsbegleiterin. Als sie in den Ruhestand ging, suchte die ehemalige Sonderschullehrerin und Psychologin eine neue Herausforderung. An er Aufgabe schätzt sie, dass sie eine klar umrissene Rolle hat: „Ich schaue, dass es dem Kind gut geht“, fasst sie zusammen.

Genau das zeichnet den Kinderschutzbund aus: „Bei uns steht das Kind im Fokus“, sagt Ursula Umhey, langjährige pädagogische Fachkraft bei dem Verein. Darüber hinaus gilt das Prinzip der Allparteilichkeit und Neutralität. Das heißt, es wird für keines der Eltern- oder Großelternteile Partei ergriffen.

Wie die Treffen ablaufen, ist von Fall zu Fall verschieden. Manchmal geben die Eltern das Kind unter Aufsicht aneinander weiter, manchmal muss die Übergabe so stattfinden, dass sich Vater und Mutter nicht dabei begegnen. „Zum Teil können sich die Eltern einfach nicht mehr sehen“, sagt Herbert Schlund, zweiter Vorsitzender des Kinderschutzbunds Kirchheim. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn es in der Ehe Gewalt oder Missbrauch gegeben hat.

Groß ist die Bandbreite auch bei den Unternehmungen. Elternteil und Kinder können zum Beispiel in den Räumen des Kinderschutzbunds am Kirchheimer Bahnhof spielen, die die Stadt mietfrei zur Verfügung stellt. In anderen Fällen geht es auf den Spielplatz, ins Kikimondo oder zum Einkaufsbummel.

 

 „Konflikte gibt es überall.
Ursula Umhey
Die Sozialpädagogin über die große soziale und kulturelle Bandbreite bei den Familie.
 

Betreut werden beim Kinderschutzbund Familien aus den sämtlichen sozialen Schichten und Kulturkreisen. „Konflikte gibt es überall“, macht Ursula Umhey​ klar​​​​​​. Die Bandbreite reicht vom Hartz IV-Empfänger bis zum Arzt.

Zum Dauerzustand wird der begleitete Umgang in der Regel nicht. „Ziel ist es, dass die Familien irgendwann wieder ohne uns zurecht zu kommen“, sagt Herbert Schlund.

Dass der Job nicht immer leicht ist, weiß Herbert Schlund, der jahrelang selbst als Umganhgsbegleiter gearbeitet hat. „Man muss langsam eine Beziehung zu den Familien aufbauen – und viele Dinge beschäftigen einen über die Treffen hinaus.“ Umso wichtiger sind die regelmäßigen Gespräche im Mitarbeiter-Team.

Dass auch die Ehrenamtlichen von der Arbeit profitieren, davon sind Sonja Hofmann und Ursula Umhey überzeugt: „Man kann viel lernen und an der Herausforderung wachsen.“

 

Wie wird man ehrenamtlicher Umgangsbegleiter?

Ehrenamtliche Umgangs­begleiter brauchen kein Fachwissen und keine pädagogische Ausbildung, dafür aber Fingerspitzengefühl, Toleranz und eine Wertschätzung gegenüber verschiedenen Lebens­modellen und Kulturen.

Zeit und Flexibilität, um eine oder mehrere Familien regelmäßig und zuverlässig bei den Treffen zu begleiten, sind ebenfalls Voraussetzung. Die Umgangsbegleitenden sollten mindestens zwei Jahre dabei bleiben.

Eine Schulung gehört zur Ausbildung der Ehrenamtlichen. Sie umfasst rund 50 Stunden und hat unter anderem rechtliche Grundlagen, psychologische Aspekte, Gesprächs- und Krisenmanagement sowie Regeln und Rahmenbedingungen des begleiteten Umgangs zum Inhalt.

Teamgespräche sind wichtiger Bestandteil der Arbeit. Einmal im Monat gibt es beim Kinderschutzbund Teamsitzungen, vier Mal Supervision. Bei Fragen und Problemen stehen die Fachkräfte immer als Ansprechpartner zur Verfügung.

Wer Interesse hat, als ehrenamtlicher Umgangsbegleiter zu arbeiten, kann sich mit dem Kinderschutzbund Kirchheim in Verbindung setzen unter der Telefonnummer 0 70 21/7 45 44 oder per E-Mail an info@kinderschutzbund-kirchheim-teck.de.