Kirchheim
Kirchheim gibt Rekordsummen aus   

Einbringung Oberbürgermeister Pascal Bader stellt dem Gemeinderat den Entwurf des Doppelhaushalts für die kommenden beiden Jahre vor. Geplant sind bis 2026 Investitionen in Höhe von 130 Millionen Euro. Von Andreas Volz

Ein riesiges Investitionspaket schnürt die Stadt Kirchheim: Der Doppelhaushalt, den Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader gestern im Gemeinderat eingebracht hat, sieht für den Planungszeitraum 2022 bis 2026 Investitionen in Höhe von 130 Millionen Euro vor. „Das ist ein Rekordwert“, stellte der Rathauschef ohne weitere Ausschweifungen fest. Die größten Brocken dieser Investitionssumme entfallen mit über 53 Millionen Euro auf den Tiefbau – also auf Arbeiten, die einerseits notwendig sind, sich andererseits aber nicht immer deutlich im Stadtbild niederschlagen. Über 50 Millionen entfallen in den nächsten fünf Jahren in den Hochbau, und gut elf Millionen Euro will die Stadt in Grünflächen und Gewässer investieren.

Pascal Bader sprach von einem hohen Sanierungsbedarf bei städtischen Gebäuden und Schulen. Außerdem gelte es, Brücken zu sanieren, den Hochwasserschutz umzusetzen sowie Breitbandausbau und Digitalisierung ebenso voranzubringen wie den Ausbau der Ganztagsbetreuung in Kindergärten. Eine der wichtigsten Aufgaben ist die Generalsanierung des Ludwig-Uhland-Gymnasiums, die sich vor allem auf die Bauteile C und D bezieht. Allein dafür sind im kommenden Doppelhaushalt für 2022 und 2023 insgesamt 7,7 Millionen Euro vorgesehen.

Weitere Arbeiten stehen am Schlossgymnasium an – vornehmlich Digitalisierung und Brandschutz. Außerdem investiert die Stadt Kirchheim in das Großprojekt Bildungshaus Nabern. Dazu gehören der Kindergartenneubau, für fünf Gruppen und die Sanierung der Grundschule.

Um den Mangel an sozialem Wohnraum auch strategisch anzugehen, will die Stadt bis Mitte 2023 ein neues Gebäude im Lindorfer Weg erstellen, mit zehn Wohnungen unterschiedlicher Größen. Außerdem wird das Güterbahnhofsgelände in Ötlingen erschlossen, und für das bislang unbebaute Gebiet Schafhof IV steht die Kanalisation an. Alles in allem sieht der Doppelhaushalt 7,4 Millionen Euro für die Schaffung von neuem Wohnraum in Kirchheim vor.

Auf 9,4 Millionen Euro – wenn auch gestreckt auf vier Jahre – beläuft sich der Ansatz für die Sanierung des Technischen Zentrums in der Henriettenstraße. Mit eingerechnet sind bereits die Kosten für die geplante Kalthalle samt Heizzentrale, die auch das benachbarte Berufsschulzentrum bedienen soll.

Für den Hochwasserschutz sind sechs Millionen Euro eingestellt. Vorrangig geht es dabei um Arbeiten am Jauchertbach einschließlich Hochwasserrückhaltebecken sowie um Möglichkeiten, in Lindorf und Ötlingen das Oberflächenwasser bei starkem Regen gezielt ableiten zu können.

Die Digitalisierung will sich die Stadt circa elf Millionen Euro kos­ten lassen. Nicht nur Bildungseinrichtungen und Gewerbegebiete, sondern auch Privathaushalte sollen gigabit-fähige Anschlüsse erhalten. Für das neue Gewerbegebiet Bohnau-Süd ist das gleich von Anfang an vorgesehen. Dort steht die Erschließung an, die zunächst vorzufinanzieren ist. Von den 21 Hektar sollen 16 gewerblich genutzt werden. Die übrigen fünf Hektar sind für Grünflächen vorgesehen, die eine Pufferzone zum benachbarten Wohngebiet Pfaffenhalde bilden sollen.

Der Haushalt erzielt nur Defizite

Ein Problem angesichts des großen Investitionsvolumens: Der Ergebnishaushalt wirft dafür nicht die nötigen Überschüsse ab. Im Gegenteil, für 2022 beläuft sich der Fehlbetrag auf 2,2 Millionen Euro, für 2023 gar auf 4,9 Millionen Euro. Deswegen sucht die Verwaltung nach Möglichkeiten, Kosten einzusparen, Angesichts von nahezu 40 Millionen Euro Personalkosten pro Jahr dürfte das aber nicht ganz einfach sein. Perspektivisch stellte Oberbürgermeister Bader deshalb schon eine Erhöhung der Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B um jeweils zehn Prozentpunkte ab dem Jahr 2024 in Aussicht.

Weitere Ausgaben betreffen die Sanierung des Kornhauses für knapp 13 Millionen Euro, die Sanierung der Laufbahn und des Rasenplatzes am Stadion für 1,5 Millionen Euro oder auch im Talwald den Walderlebnispfad und einen neuen Mountainbike-Trail. Für das neue Hallenbad ist eine Planungsrate von 500 000 Euro vorgesehen. Ein besonders drängendes Problem soll ebenfalls angegangen werden: Am Bikepark in der Jesinger Halde, am Ziegelwasen sowie am Ötlinger Bahnhof sollen öffentliche Toiletten entstehen.

 

 

Bis zu 38 Millionen Euro neue Schulden stehen im Raum

Kirchheim. Wie schnell ein Zahlenwerk veralten kann, verdeutlich­te Kirchheims Stadtkämmerer Fabian Kaiser in seiner Haushalts-
analyse: „Kaum war unser vergangener Doppelhaushalt im Februar 2020 genehmigt, waren die Zahlen einen Monat später vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie bereits wieder überholt.“ Für Kirchheims Haushalt ging es um einen Ertragsausfall im zweistelligen Millionenbereich. Dass es nicht dazu kam, sei nur dem „beispiellosen Kraftakt von Bund und Ländern“ zu verdanken. Die Kehrseite dieser Rettungspakete bestehe in einer massiven Neuverschuldung der öffentlichen Hand.

Auf eine massive Neuverschuldung steuert auch die Stadt Kirchheim zu: „Trotz einer positiven Ertragsentwicklung müssen wir wegen der Steigerungen auf der Aufwandseite mit negativen Ergebnissen planen.“ Wenn also das immense Investitionspaket mit Ausgaben in Höhe von 130 Millionen Euro bis 2026 finanziert werden soll, dann geht das nur durch neue Schulden. Die Neuverschuldung soll sich bis 2026 auf 38 Millionen Euro steigern. Davon sind allein für 2022 bereits 14,5 Millionen und 15 Millionen Euro für 2023 vorgesehen. „Damit liegen wir weit über unseren Leitplanken“, stellt Stadtkämmerer Kaiser fest.

Dabei sei der Doppelhaushalt, der für 2022 von 127,8 Millionen Euro an Erträgen ausgeht und für 2023 gar von 132,4 Millionen Euro, bereits sehr optimistisch geplant. Der Haushaltsentwurf geht bei den Gewerbesteuereinnahmen von 28 beziehungsweise 29 Millionen Euro pro Jahr aus, beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer von 26,7 und 28,3 Millionen Euro. Die Vergnügungssteuer dagegen sei ab 2023 deutlich rückläufig, weil sich das Landesglücksspielgesetz ändert, in dem ein neuer Mindestabstand von Spielhallen zu Kinder- und Jugendeinrichtungen vorgesehen ist. Die höheren Hebesätze, die ab 2024 vorgesehen sind – von 380 auf 390 bei der Gewerbesteuer und von 395 auf 405 bei der Grundsteuer B –, haben mit einer erwarteten Mehreinnahme von einer Million Euro jährlich also vor allem den Effekt, fehlende Einnahmen bei der Vergnügungssteuer auszugleichen.

Einen Lichtblick im Zahlenwerk stellte Fabian Kaiser dem Gemeinderat aber doch noch vor: Die errechneten Defizite des Ergebnishaushalts könnten sich noch vor der Haushaltsverabschiedung um eine Million beziehungsweise 1,3 Millionen Euro verringern. Das hängt von der Entwicklung der Kreisumlage ab. Gerechnet hat die Kirchheimer Kämmerei vorab mit 30,8 Prozent für 2022 und mit 32,5 Prozent für 2023. Aktuell plane der Landkreis aber mit niedrigeren Prozentzahlen: 29,3 für 2022 und 30,5 für 2023. Das würde zu einer entsprechenden Verringerung der städtischen Ausgaben führen.

Generell allerdings steigen die Fixkosten: Der Personalaufwand macht rund 30 Prozent der Ausgaben aus. 2023 liegt die Gesamtsumme bei knapp 40 Millionen Euro. Wegen Tarifsteigerungen und Höhergruppierungen ist mit einer jährlichen Steigerung um bis zu einer Million Euro zu rechnen – selbst wenn keine einzige neue Stelle hinzukommt. Auch bei den Sach- und Dienstleistungen gebe es einen Trend zu steigenden Ausgaben: „Das ist auf neue Aufgaben, steigende Anforderungen – etwa bei der Verkehrssicherungspflicht –, Standarderhöhungen sowie steigende Unterhaltsaufwendungen zurückzuführen.“ Zusätzlich steigen die Abschreibungen, wenn die Stadt ihre Investitionen erhöht.

Angesichts eines Sanierungsstaus dürften die Investitionen kaum zurückgehen. Deshalb appelliert der Kämmerer an Gemeinderat und Verwaltung, „zusätzliche laufende Ausgaben, insbesondere bei Freiwilligkeitsleistungen, stets kritisch zu hinterfragen“. Schließlich müssten diese Ausgaben auch in „schlechten“ Zeiten noch finanzierbar sein.    Andreas Volz