Kirchheim

Kirchheim setzt auf den Rat der Achtklässler

Jugendbeteiligung Nach dem Vorbild ande­rer Städte soll in Kirchheim eine ganze Jahrgangsstufe kollektiv an politische Themen herangeführt werden. Von Andreas Volz

Der Bike-Park am Schlossgymnasium ist das Vorzeigeprojekt für Jugendbeteiligung in Kirchheim.Foto: Markus Brändli
Der Bike-Park am Schlossgymnasium ist das Vorzeigeprojekt für Jugendbeteiligung in Kirchheim. Foto: Markus Brändli

Größere Zusammenhänge statt kleinlicher Pfennigfuchserei: Üblicherweise wird in den Kirch- heimer Gemeinderatsausschüssen Anfang Dezember um einzelne Euro-Beträge gefeilscht. Im Ausschuss für Bildung, Soziales und Bürgerdienste (BSB) war das jetzt ganz anders. Im Vordergrund standen weniger die Auswirkungen der Fraktionsanträge auf die Haushaltszahlen, sondern mehr die grundsätzlichen Fragestellungen. Ein ganz großes Thema seit Jahren ist die Jugendbeteiligung. Hier hatten die Grünen den Antrag gestellt, in Kirchheim einen „8er-Rat“ einzuführen.

Der 8er-Rat hat nichts mit einem närrischen Elferrat zu tun. Die Schreibweise verrät bereits, dass es sich bei der „8“ nicht um die Zahl der Mitglieder handelt. Vielmehr geht es um „8er“, also um Achtklässler. Nach dem Vorbild einiger anderer Städte sollen also auch in Kirchheim „mehrmals im Jahr“ alle Achtklässler gemeinsam eingeladen werden, „um sich über laufende, für Jugendliche interessante Projekte zu informieren und darüber zu diskutieren“.

Mit dabei sind außer den Jugendlichen auch die Stadtverwaltung, der Gemeinderat und die Organisation „Be Part“. Musterbeispiel für die gelungene Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Kirchheim ist derzeit der Bike-Park am Schlossgymnasium. Viele junge Biker waren mit großem Interesse und großer Begeisterung dabei, ihren „Sportplatz“ gemeinsam umzugestalten - in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und mit „Be part“.

Diese Begeisterung soll nun möglichst auch auf andere Projekte übertragen werden, und dazu soll vor allem auch der 8er-Rat dienen. Die Stadtverwaltung sieht allerdings die Gefahr von Parallelstrukturen, wenn mit „Be Part“ bereits eine geeignete Form der Jugendbeteiligung existiert.

Stadträtin Lena Weithofer (Grüne) kann diese Bedenken nicht verstehen. Sie macht sich stark dafür, dass alle Achtklässler zusammenkommen können, um - über Schulartengrenzen hinweg - in Kleingruppen über genau die Themen diskutieren zu können, die jeden einzelnen am meisten bewegen.

Ralf Gerber (Freie Wähler) zeigt sich dagegen „völlig desillusioniert“ von solchen Veranstaltungen. Er schlägt stattdessen vor: „Politische Bildung gehört zwingend in den Schulen verankert.“ Wilfried Veeser (CDU) haut in dieselbe Kerbe: „Gerne unterstützen wir das, wenn es aus den Schulen kommt, als Pflichtunterricht.“

Auch Tonja Brinks (SPD) sieht eine gewisse Gefahr im Format eines 8er-Rats: „Wenn das nur deshalb gemacht wird, weil der Gemeinderat es will, dann bringt das nichts.“ Trotzdem hält sie die Idee prinzipiell für sehr gut - „weil in Kirchheim eine Kultur der Jugendbeteiligung über einen Jugendrat fehlt“. Statt Achtklässlern würde sie allerdings lieber die Siebtklässler einladen, um sie über jugendspezifische Themen der Kommunalpolitik diskutieren zu lassen.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker berichtete von einem anderen - ebenfalls prinzipell guten - Format und mangelndem Interesse: „Bei ,Schule trifft Rathaus‘ sind Schulklassen vier Stunden lang ins Rathaus eingeladen. Es gibt aber nur eine einzige Schule, die das Angebot bisher wahrgenommen hat.“

Trotz allem aber will der Ausschuss den 8er-Rat einführen.

Weitere Themen und Abstimmungen im Ausschuss

Keine Gebühren für Geschwisterkinder: Eltern müssen auch weiterhin reduzierte Kindergartengebühren für ihre jüngeren Kinder zahlen. Der Antrag der Linken auf Gebührenfreiheit fand nur einen Befürworter - aus unterschiedlichsten Gründen. Zum einen hätte die Stadt ein Problem mit der Kostendeckung. Der SPD wiederum ging der Antrag nicht weit genug. Sie hatte für eine komplette Gebührenfreiheit für Kindergärten und -tagesstätten plädiert.

Digitalisierung an Schulen: Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker stellte klar, dass sich die Stadt selbstverständlich fristgerecht um die Fördermittel bemüht. Voraussetzung für die Bewilligung sind Medien­entwicklungspläne für alle Schulen. Daran arbeite die Stadt in enger Kooperation mit den Schulleitungen.

Betriebskostenbeteiligung für Sportvereine: Den Antrag der SPD, auch weiterhin auf den Kostenbeitrag durch die Sportvereine zu verzichten, unterstützten auch die Freien Wähler. Dennoch wurde er mit 7:9 Stimmen knapp abgelehnt.

Gelder für das Linde-Areal: Auf Nachfrage erläuterte die Verwaltungsspitze, dass bislang nur Planungsmittel im Haushaltsentwurf stehen - weil bei allen weiteren Kosten noch nichts über deren mögliche Höhe bekannt ist. Detailliertere Zahlen könnten erst im Nachtragshaushalt für 2021 stehen.

Bürgerbeteiligung: Ralf Gerber (Freie Wähler) wollte zum Nachdenken anregen und forderte ein Konzept zur Reduzierung der Bürgerbeteiligung. Den eigentlichen Kern dieser Frage aufgreifend, stellte Wilfried Veeser (CDU) fest, man müsse über die Beteiligungsformate nachdenken. vol