Kirchheim
Kirchheimer Hallenbad fehlt massiv

Sicherheit Die Zahl der Grundschüler, die nicht schwimmen kann, ist laut DLRG massiv angestiegen. Auch an Kirchheimer Schulen ist das ein Riesenproblem. Was sind die Gründe? Von Antje Dörr

Wer das Hallenbad der Dettinger Verbundschule betritt und den Arm ins Wasser taucht, weiß, warum die Schwimmkurse der Familien-Bildungsstätte (FBS), die dort regelmäßig stattfinden, so beliebt sind. Die Temperatur im Lehrschwimmbecken beträgt mollige 31 Grad. „Das ist perfekt für die Kinder, weil sie nicht mit Frieren beschäftigt sind“, sagt Lea Lynek. Gemeinsam mit Lena Queste und Carina Klaiber, alle Mitglieder des VfL Kirchheim, bringt Lynek 15 fünf bis sieben Jahre alten Kindern im Auftrag der FBS das Schwimmen bei. Die Wartelisten für die Kurse sind lang, wer sich bei Programmstart nicht um Mitternacht an den Computer setzt, um sein Kind anzumelden, hat schon verloren. Die erste Antwort auf die Frage, warum die Zahl der Nichtschwimmer so gestiegen ist, findet man bereits hier, und sie ist eigentlich ziemlich banal: Es müsste deutlich mehr Schwimmkurse geben. An fehlenden Trainern liegt es laut den VfL-Frauen nicht. „Die Wasserfläche reicht nicht aus“, sagt Queste. Vereine, Schulen, Schwimm-Kurs-Anbieter, sie alle müssen sich die wenigen Schwimmbecken teilen, die es in Kirchheim und Umland gibt. „Hätten wir mehr Wasserfläche, könnten wir von morgens bis abends Schwimmkurse geben“, sagt Queste über die riesige Nachfrage. Ihre Forderung ist klar: „Kirchheim braucht ein Hallenbad“.

 

Hätten wir mehr Wasserfläche, könnten wir von morgens bis abends Schwimmkurse geben.
Lena Queste, Schwimm-Trainerin

 

Diese Forderung kann Thorsten Bröckel unterschreiben. Auch beim Schulschwimmen ist die Lücke, die die Schließung des Kirchheimer Hallenbads hinterlassen hat, deutlich spürbar. Laut dem Schulleiter der Alleenschule findet zwar an den meisten Grundschulen Schwimmunterricht statt. Weil das Dettinger Hallenbad, das Kirchheim und Dettingen sich aktuell teilen, so voll ist, ist der Umfang jedoch deutlich geringer als erwünscht. Ein Beispiel: An der Alleenschule dürfen traditionell die Viertklässler mit zwei Lehrkräften schwimmen gehen. Weil die Kinder eingeteilt werden müssen in Schwimmer und Nichtschwimmer, kommen sie nie ein volles Schuljahr lang in den Genuss von Schwimmunterricht, sondern immer nur blockweise acht Mal am Stück, erzählt Thorsten Bröckel. Auch die weiterführenden Schulen hätten nur wenige Zeitfenster. Ab Mai gebe es immerhin die Möglichkeit, ins Freibad zu gehen. „Aber das ist stark wetterabhängig“, sagt Bröckel, der auch geschäftsführender Schulleiter in Kirchheim ist. Ist es kühl und regnerisch, muss das Schwimmen entfallen. 

Nach dem Duschen geht's für die Seepferdchen-Anwärter ab ins Wasser. Foto: Carsten Riedl

Auch die Kirchheimer Schulleiter beobachten, dass immer mehr Nichtschwimmer unter den Kindern sind. Bei den Elternabenden würden die Sorgeberechtigten darüber informiert, dass sie ihre Kinder möglichst vor Beginn des Schwimmunterrichts zu einem Kurs schicken sollen. „Oft melden uns die Eltern zurück, dass es keinen Platz gibt oder eine Warteliste“, sagt Thorsten Bröckel. Aufgrund der großen Zahl an Nichtschwimmern sind einige Schulen gezwungen, die Kinder – wie in der Alleenschule – in Gruppen aufzuteilen. Andere behelfen sich, indem sie professionelle Helfer anfordern. „Die Eduard-Mörike-Schule hat Schwimmbegleiter, die beim DLRG ihren Bufdi machen“, weiß Thorsten Bröckel. Es gibt aber auch Schulen, die Eltern als freiwillige Helfer einspannen. Eine Praxis, die rechtlich nicht unbedenklich ist. Eltern könnten grundsätzlich unterstützen, zum Beispiel beim Weg in die Schwimmhalle, sagt Fabian Schmidt vom Kultusministerium in Stuttgart. In Bezug auf den Schwimmunterricht selbst sei es wichtig, dass auch die im Schwimmunterricht unterstützende Person entsprechend qualifiziert sei. „Das heißt zum Beispiel, dass ein Elternteil, das im Schwimmverein als Schwimmtrainer arbeitet und damit Methodik und Didaktik sowie Rettungsfähigkeit besitzt, auch im Unterricht unterstützen kann“, so Schmidt. In jedem Fall trage jedoch die Lehrkraft die Verantwortung für den Schwimmunterricht.

Lena Queste trainiert mit einem Mädchen die Armbewegungen. Foto: Carsten Riedl

Zwei Kirchheimer Schulen können aktuell überhaupt keinen Schwimmunterricht anbieten, obwohl Schwimmen in der Grundschule auf dem Lehrplan steht: Die Teckschule und die Konrad-Widerholt-Grundschule. „Das Hallenbad ist einfach total voll“, sagt Petra Englert, die Rektorin der KW-Grundschule. Hinzu kommt, dass jahrelang kein Lehrer an der KW-Schule Schwimmen unterrichten konnte. Das Vorgehen sei mit dem Schulamt abgesprochen. Als Zwischenlösung hat die KW-Grundschule eine Schwimm-AG eingerichtet, die sich an die Nichtschwimmer richtet und im Freibad stattfindet. „Das ist eine Zwischenlösung“, sagt Englert. „Im nächsten Schuljahr werden wir uns wieder um eine Bahn im Dettinger Hallenbad bemühen“.

Zurück in der Verbundschule: Im FBS-Schwimmkurs treffen Kinder unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlich viel Mut und Erfahrung aufeinander. Einige springen ohne Scheu ins Wasser, doch viele trauen sich nicht. Tauchen und ins Wasser springen sind jedoch Voraussetzungen, wenn man das Seepferdchen schaffen will. Mit einem Mädchen, das ein wenig Angst zu haben scheint, übt Lena Queste auf der Treppe, nur mit der Nase unter Wasser zu gehen. Die Kleine überwindet sich. Dass sie dabei Wasser in die Nase bekommt und husten muss, ist dank Questes ausgiebigem Lob gleich wieder vergessen. „Alle Kinder unter einen Hut zu kriegen – die, die Angst haben, und die, die schon angstfrei ins Wasser hüpfen – das ist schon eine große Herausforderung“, sagt Lea Lynek. Deshalb gibt es bei der FBS jetzt nicht mehr nur einen Schwimmkurs, sondern drei: Wassergewöhnung, Wasserbewältigung und den Kurs für die fortgeschrittenen Anfänger.

Foto: Carsten Riedl

In den aktuellen Anfänger-Schwimmkursen schaffen die wenigsten Kinder das Seepferdchen, höchstens zehn bis zwanzig Prozent, schätzen die drei Frauen. Für Lea Lynek ist das aber auch gar nicht das Ziel. „Mein persönliches Ziel ist es, dass die Kinder sicher an den Rand kommen, wenn sie mal ins Wasser fallen“, sagt Lynek.

Schwimmbad gesucht

Lea Lynek, Lena Queste und Carina Klaiber wollen gerne mehr Schwimmkurse anbieten. Was ihnen fehlt, ist Wasser. Wer sich vorstellen kann, seinen Pool oder sein privates Schwimmbad für einen Schwimmkurs zur Verfügung zu stellen, darf sich per Mail bei den drei VfL-Frauen melden: leamlynek@gmx.de.