Kirchheim. Ist es eine vietnamesische Verschwörung? Der 57-jährige gelernte Schneider aus Hanoi, der in Kirchheim einen Wohnungsnachbar die Treppe hinuntergestoßen und seine Ex-Frau vergewaltigt haben soll, fühlt sich zu Unrecht angeklagt: Er habe nichts Böses getan, beteuerte er vor dem Stuttgarter Landgericht.
Gestern wurde im Fall des Treppensturzes die Beweisaufnahme gegen den 57-Jährigen vor der Stuttgarter Schwurgerichtskammer fortgesetzt. Seine von ihm geschiedene Ehefrau ist als Zeugin aufgetreten, kann sich allerdings nicht mehr genau an die Vorgänge vom Mai 2018 und vom Dezember 2020 in dem Kirchheimer Mehrfamilienhaus erinnern. Sie weiß nur noch, dass ihr Mann sie damals im Schlafzimmer vergewaltigt und ihr das Mobiltelefon abgenommen hat. Danach folgten zwei Kopfschläge, an mehr kann sie sich nicht erinnern. Das Mobiltelefon habe sie später wieder bekommen.
Lange Liste an Vorwürfen
Die Liste der Vorwürfe gegen den Angeklagten ist lang: versuchter Totschlag, Beleidigung, besonders schwere räuberische Erpressung, Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung. Konkret soll der 57-Jährige einen Freund der Familie, den er als „Nebenbuhler“ bezeichnet, die Treppe hinuntergestoßen und anschließend seinen 19-jährigen Sohn grundlos verprügelt haben. Der „Nebenbuhler“ und der Sohn lebten ebenso wie die zweite vietnamesischen Ehefrau mit dem Angeklagten bis zu dessen Festnahme am 1. März dieses Jahres in dem Mehrfamilienhaus in Kirchheim, in dem die mutmaßlichen Straftaten geschahen.
„Keine Vergewaltigung“
Nachdem der 57-Jährige seine Unschuld mit der Aussage „Die Vergewaltigung war Versöhnungssex“ beteuert hat, ist die Schwurgerichtskammer zu einer umfangreichen Beweisaufnahme gezwungen. An die Taten will der Mann sich nicht erinnern. Nach seiner Meinung habe es gar keinen Treppensturz gegeben. Dagegen sprechen die Verletzungen des Opfers: ein Schädelbasisbruch und Hämatome am ganzen Körper. Die Staatsanwältin geht davon aus, dass der Angeklagte den Tod des Mannes zumindest billigend in Kauf genommen hat.
In 13 weiteren Verhandlungstagen wollen die Richter zwei Sachverständige und ein gutes Dutzend Zeugen vernehmen. Da es sich hauptsächlich um vietnamesische Staatsangehörige handelt, die kein Deutsch sprechen, müssen Verhandlungsdolmetscher alle Aussagen übersetzen. Das benötigt Zeit. Am 14. Februar 2022 will das Gericht das Urteil gegen den Mann verkünden. Er befindet sich seit dem 17. September dieses Jahres nicht mehr in Untersuchungshaft.