Kirchheim
Kirchheimer Wochenmarkt: Maskenverweigerin muss einpacken

Differenzen Die Floristin Anne-Kathrin Faiß darf dieses Jahr nicht auf dem Kirchheimer Markt verkaufen. Sie war mit der Stadt aneinandergeraten, unter anderem weil sie draußen keine Maske tragen will. Von Bianca Lütz-Holoch​

So mancher Besucher des Kirchheimer Wochenmarkts muss sich derzeit neu orientieren. Stände haben den Platz gewechselt, neue sind dazugekommen. Besonderes Aufsehen erregt hat jedoch die Tatsache, dass eine Institution fehlt: die Reuderner Floristin Anne-Kathrin Faiß, die jahrzehntelang mit ihrer Mutter am Marktbrunnen Blumen und Gemüse verkauft hat. Sie hat von der Stadt Kirchheim für das Jahr 2022 keine Zulassung als Marktbeschickerin mehr erhalten. Dahinter stecken Differenzen zwischen der Floristin und der Stadt, unter anderem um die Maskenpflicht auf dem Wochenmarkt.

 

„Es gibt Marktregeln, die für alle gelten.
Pascal Bader
Kirchheims Oberbürgermeister will ständige Verstöße nicht akzeptieren.

 

„Wir haben persönlich nichts gegen Anne-Kathrin Faiß, und es tut mir leid, dass sie dieses Jahr nicht dabei ist“, versichert Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader. Dennoch habe die Stadtverwaltung keine andere Wahl gehabt, als der Reuderner Floristin die Jahresgenehmigung für 2022 zu verwehren. „Es gibt Marktregeln, die für alle gelten“, betont der Oberbürgermeister. Für ein gutes Miteinander sei es wichtig, dass sich alle daran halten. „Ich kann es weder gegenüber den anderen Marktbeschickern noch gegenüber den Kunden vertreten, dass jemand auf Dauer dagegen verstößt.“ Genau das sei aber bei Anne-Kathrin Faiß der Fall gewesen.

„Es gab ständige Auseinandersetzungen und Verstöße“, so Bader. Entzündet hat sich der Streit unter anderem, weil die 42-Jährige sich konsequent der Maskenpflicht auf dem Markt widersetzt hat. „Allerdings war das nicht der einzige Punkt“, so Bader. Mehr dürfe er dazu nicht sagen, da ein gerichtliches Verfahren laufe.

 

„Ich halte es für sinnlos, draußen eine Maske zu tragen.
Anne-Kathrin Faiß
über die Marktregeln

 

Dass sie ohne Maske auf dem Markt verkauft hat, räumt Anne-Kathrin Faiß ein. „Ich halte es für sinnlos, draußen eine Maske zu tragen“, legt sie ihre Überzeugung dar. Eine Ansteckungsgefahr sieht sie im Freien nicht, wohl aber eine Beeinträchtigung ihres Images. „Mein Erfolg beruht nicht nur auf meinen Blumen, sondern auch auf der Fröhlichkeit, die ich ausstrahle – und die wird durch die Masken zerstört“, glaubt sie. Zum Maskentragen zwingen lasse sie sich nicht. Als Querdenkerin möchte sie aber auch nicht bezeichnet werden. „Ich bin ein Freigeist und mache nicht das, was alle machen.“ Ärgerlich findet sie, dass sie nicht die einzige Verkäuferin sei, die keine Maske trage. „Aber ich bin als einzige ständig vom Ordnungsamt kontrolliert und mit Bußgeldern belegt worden.“ 

Die Maskenpflicht im Freien gilt laut Corona-Verordnung überall, wo der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht zuverlässig eingehalten werden kann. „Auf dem Markt ist das aus Sicht der Stadt nicht möglich“, sagt Kirchheims Pressesprecher Robert Berndt. Lediglich wenn sich zwischen Verkäufer und Kunde eine breite Verkaufsfläche oder eine Plexiglasscheibe befinde, seien Masken verzichtbar.

Seit Monaten läuft ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Kirchheim und Anne-Kathrin Faiß. Das bestätigt Dr. Samuel Thomann, Richter und Pressesprecher am Verwaltungsgericht Stuttgart. Die Stadt hatte im Juli 2021 wegen wiederholten Verstoßens gegen die Maskenpflicht mit sofortiger Wirkung vier Wochen lang den Zutritt zum Markt untersagt. Dagegen legte die Floristin Widerspruch ein, dem die Stadt ihrerseits widersprach. Daraufhin erhob Anne-Kathrin Faiß am 21. Oktober Klage beim Verwaltungsricht Stuttgart.

Klage noch nicht gewonnen

Anders als in einem Post behauptet wird, der auf Facebook kursiert und zu dem auch eine Stellungnahme Pascal Baders existiert, hat Anne-Kathrin Faiß das Verfahren gegen die Stadt noch nicht gewonnen. „Über diese Klage ist bislang nicht entschieden“, sagt Samuel Thomann. Auch stehe noch kein Verhandlungstermin fest. Lediglich der sofortige Vollzug des Marktverbots wurde ausgesetzt.

Allerdings stützt das Gericht in einem Beschluss die Ansicht der Floristin, dass eine generelle Maskenpflicht auf dem Markt fragwürdig ist. Die Begründung der Stadt, dass „während des Marktbetriebes aufgrund des dynamischen Geschehens und der engen Marktfläche ein ständiger Abstand von 1,5 nicht eingehalten werden könne, kann in ihrer Pauschalität nicht überzeugen“, heißt es darin.

Für Anne-Kathrin Faiß ist der Verlust ihres Standplatzes ein schwerer Schlag. „Seit ich geboren wurde, komme ich mit meiner Mutter auf den Kirchheimer Wochenmarkt, ohne Fehlzeiten oder Pausen.“ Nun fürchtet sie um ihre Existenz. „Ich verliere pro Jahr schon 170 Hochzeiten durch Corona, und jetzt noch das“, klagt sie.

Oberbürgermeister Pascal Bader sieht das Tischtuch zwischen der Stadt und der Reuderner Floristin unterdessen noch nicht als zerschnitten an. „Frau Faiß kann sich wieder um einen Standplatz für 2023 bewerben“, betont er. Auch ordere die Stadt nach wie vor Blumen bei ihr, etwa fürs Standesamt.

 

Stand-Rochade auf dem Kirchheimer Wochenmarkt

„Ich dachte schon, Sie sind gar nicht mehr da“, ruft eine Kundin Werner Bäder zu, als sie seinen Naturkost-Stand doch noch gefunden hat. So wie ihr ergeht es zurzeit vielen Besuchern des Kirchheimer Wochenmarkts. Dort hat sich mit dem Jahreswechsel einiges verändert. Das hat für Diskussionen gesorgt – auf dem Markt selbst und in den sozialen Medien. Nun hat Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader mit einem Facebook-Post reagiert.

„Die Verträge für die Marktbeschicker und Marktbeschickerinnen gehen über ein Kalenderjahr“, erläutert er. Die Standbesitzer müssen sich also Jahr für Jahr neu um eine Zulassung bewerben. „Das Vertragsende zum Jahresende 2021 wurde seitens der Stadtverwaltung genutzt, um die Platzierung der Stände zu optimieren“, so Pascal Bader. Ziel sei es etwa gewesen, den Zugang zum Spielwarengeschäft Heiges und zum Pub Storm‘s freizuhalten. Außerdem gibt es mit dem Biohof Gruel aus Owen und der Landmetzgerei Scheible aus Bad Überkingen zwei neue Beschicker. Die Floristin Anne-Kathrin Faiß dagegen ist nicht mehr dabei. In Zuge dieser Neuordnung haben sich teilweise auch die Standplätze für die Anbieter geändert.

Glücklich sind damit nicht alle. Insbesondere die Familie Klein, die mit ihrem Obst- und Gemüsestand traditionell vor der Volksbank gestanden hatte und ihre Schirme in der Marktstraße lagert, konnte sich mit dem neuen Platz so gar nicht anfreunden. „Da haben wir nachjustiert“, sagt Pascal Bader. Familie Klein habe nun einen Platz direkt gegenüber des Drogeriemarkts dm erhalten.

Auch Werner Bäder, der zuletzt vor dem Spielwarengeschäft Heiges gestanden hatte und nun vors Bekleidungsgeschäft En Vogue gerückt ist, hadert mit dem neuen Platz. „Zum Reinfahren ist das schlecht, und die Kunden finden uns nicht“, sagt er. Andere, wie Manuela Vittirini mit ihrem italienischen Obst und Gemüse oder Ulrike Gerber, die Gemüse und Kräuter sowie Blumen verkauft, haben schon mal vorgebeugt und an ihren alten Standplätzen Schilder aufgestellt. „Umgezogen“, steht da etwa. „Bin jetzt da drüben.“ Bianca Lütz-Holoch