Kirchheim
Kompostwerk Kirchheim: Wo das „Gold des Gärtners“ entsteht

Entsorgung Was passiert eigentlich mit den Küchenabfällen, die in der braunen Tonne landen? Im Kompostwerk in Kirchheim entsteht daraus Naturdünger mit Gütesiegel. Der findet reißenden Absatz. Von Elke Hauptmann

Deckel auf, Küchenabfälle rein, Deckel zu. Dann heißt es nur noch, die braune Tonne am Ab-fuhrtag an die Straße stellen – und weg ist der Biomüll. Doch was passiert eigentlich mit den Salatblättern, Kartoffelschalen und Brotresten? „Wir machen daraus einen Naturdünger“, sagt Manfred Kopp, der Geschäftsführer der Kompostwerk Kirchheim GmbH. Und zwar einen mit Qualitätssiegel, der sogar für den ökologischen Landbau zugelassen sei, fügt er stolz hinzu. „Wir sind Mitglied in der Bundesgütegemeinschaft Kompost, deren Anforderungen sind weit höher als die in der Düngemittelverordnung.“

 

Wir finden auch immer wieder Küchenmesser, die versehentlich im Biomüll gelandet sind.
Manfred Kopp
Geschäftsführer des Kompostwerks in Kirchheim

 

Das „Gold des Gärtners“ wird in einer unscheinbaren Halle an der A 8 bei Kirchheim produziert. Neben zerkleinertem Grünschnitt  – der kommt der richtigen Mischung wegen hinzu – werden im Kompostwerk mehr als 40 000 Tonnen Biomüll aus dem Kreis Esslingen angeliefert und weitere gut 15 000 Tonnen aus dem Kreis Böblingen, der am Betrieb der Kompostieranlage beteiligt ist. Daraus entstehen in einem langwierigen Prozess ganz ohne chemische Zusätze jährlich um die 18 000 Tonnen Qualitätskompost – frei von Unkrautsamen und Krankheitskeimen.

Das macht ihn zu einem begehrten Bodenverbesserer. „Angesichts der gestiegenen Preise für Düngemittel verzeichnen wir derzeit eine große Nachfrage von Privatleuten ebenso wie von Landwirtschafts- und Gartenbaubetrieben“, berichtet Kopp. Verkauft wird der Kirchheimer Qualitätskompost unverpackt an Selbstabholer zu moderaten Preisen zwischen 2,50 Euro bis 0,3 Kubikmeter und zehn Euro bis zu einem Kubikmeter. Die Betriebskosten würden damit bei Weitem nicht gedeckt, sagt Kopp. Der Verkaufserlös sei aber nachrangig. Im Vordergrund stehe vielmehr die Sammlung und Verwertung von möglichst viel Bioabfall. „Das ist nämlich ein vielseitiger Wertstoff.“

Viel drin, was nicht reingehört

Täglich steuern etwa 20 Müllfahrzeuge der vom Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises Esslingen mit der Biomüllabfuhr beauftragten zwei Entsorgungsfirmen das Kompostwerk an, aus Böblingen kommen laut Kopp etwa fünf Sattelauflieger pro Tag. Sie werden, nachdem sie die Waage an der Einfahrt passiert haben, in der großen Anlieferungshalle geleert. Dabei ist gleich zu sehen: Im Biomüll ist viel drin, was nicht reingehört, vor allem Plastiktüten. Dabei sind sie streng verboten – auch die biologisch abbaubaren. Denn: Die Tüten zersetzen sich, wenn überhaupt, nicht schnell genug.

Laut Kopp fallen jährlich mehrere Hundert Tonnen Kunststoffe an. Und Metall: Dosen und Schraubdeckel, die der Magnetab-scheider herausgezogen hat, füllen mehrere Container. „Wir finden auch immer wieder Küchenmesser, die versehentlich im Biomüll gelandet sind.“ Das alles muss aufwendig aussortiert werden, teils per Hand, überwiegend aber mit großem technischem Aufwand. Ein Radlader schaufelt den Müll auf ein Laufband, das ihn in eine große Mischtrommel mit faustgroßen Löchern befördert. Im ersten Schritt werden kleinere Störstoffe herausgesiebt. Der grobe Abfall wird zerkleinert und ein zweites Mal gesiebt, bevor auch er in die 200 Meter lange Rottehalle, das Herzstück des Kompostwerkes, kommt.

Hier ist die Luft feucht und warm – gerade zu Beginn der Kompostierung sind hohe Temperaturen für den Zersetzungsprozess notwendig. Bis zu 70 Grad Celsius gelten als ideal, sie lassen unter anderem schädliche Organismen absterben. Zudem braucht es ausreichend Feuchtigkeit, um den Verrottungsprozess am Laufen zu halten. Dafür sorgt ein ausgeklügeltes Bewässerungs- und Belüftungssystem. Mehrfach wird der Biomüll in der Halle umgesetzt: Durch ein Schaufelrad und ein Förderband wird er jeweils von einer sogenannten Miete, einer Art Lagerbox, zur nächsten transportiert. Alles in allem dauert der natürliche Rotteprozess sechs bis acht Wochen. Was dabei an Masse entsteht, wird zum Schluss nochmals gesiebt, um groben und feinen Kompost zu trennen und vor allem um auch den letzten Rest an Metall und Kunststoff zu entfernen. Dass der Kompost höchsten Qualitätsstandards entspricht, dafür sorgen regelmäßige Untersuchungen.

Investitionen in die Zukunft

Im Kompostwerk in Kirchheim können seit der Inbetriebnahme 1996 jährlich bis zu 60 000 Tonnen Biomüll verarbeitet werden. Bei dieser Kapazität bleibt es laut Kopp auch, wenn die neue Biogasvergärungsanlage in Leonberg, ebenfalls ein Gemeinschaftsprojekt der Landkreise Esslingen und Böblingen, in anderthalb Jahren in Betrieb geht. Esslingen wird mehr als die Hälfte seines eingesammelten Biomülls zur Energiegewinnung beisteuern und erhält dafür das zurück, was beim Vergärungsprozess an Feststoffen übrig bleibt – knapp 40 000 Tonnen Gärreste pro Jahr. Das wird dann zusammen mit dem restlichen Biomüll aus den braunen Tonnen im Kreis zu Kompost verarbeitet.

Wie Kopp berichtet, soll das in die Jahre gekommene Kompostwerk bis dahin fit gemacht werden für die Zukunft. „Die gesamte Maschinentechnik in der Rottehalle wird erneuert“, kündigt der Geschäftsführer an. Investitionen „im unteren zweistelligen Millionenbereich“ seien geplant.

 

Interkommunale Kooperation

Beteiligungen: Das Kompostwerk in Kirchheim ist ein Kooperationsprojekt der Landkreise Esslingen und Böblingen. An der Kompostwerk Kirchheim GmbH ist Esslingen mit 65 Prozent und Böblingen mit 35 Prozent beteiligt. Seit dem Jahr 2005 arbeiten beide Kreise bei der Vergärung von Biomüll zusammen. Bei der Bioabfallverwertung GmbH Leonberg ist das Beteiligungsverhältnis genau andersherum: 65 Prozent für Böblingen und 35 Prozent für Esslingen.

Vergärung: Im September 2019 ist die Bioabfallvergärungsanlage in Leonberg durch einen Brand zerstört worden. An gleicher Stelle wird derzeit für 44 Millionen Euro eine größere Anlage errichtet. Durch die Vergärung von bis zu 72 000 Tonnen Biomüll jährlich sollen 8,1 Millionen Kubikmeter Biogas gewonnen werden, was rund 46 200 Megawattstunden entspricht. Etwa ein Fünftel dieser Energie wird genutzt, um den eigenen Strom- und Wärmebedarf der Anlage zu decken. Der Rest des Biogases strömt über eine Leitung nach Sindelfingen, wo die Stadtwerke eine Anlage zur Umwandlung in Methan bauen. Das aufbereitete Gas wird ins städtische Fernwärmenetz eingespeist. Die Gärreste kommen nach Kirchheim. eh