Region. Rund 70 Milchkühe stehen im Stall von Andreas Schmid. 14 Stunden dauert sein Arbeitstag. Urlaub hat der Landwirt aus Ochsenwang keinen, schließlich müssen die Tiere jeden Tag gepflegt, gefüttert und gemolken werden. Obwohl Schmid für zwei arbeitet, liegt sein Stundenlohn unterhalb des Mindestlohns. Dass der Milchpreis eingebrochen ist, ist für den Landwirt dramatisch. Mehrere Tausend Euro, die er vor dem Einbruch größtenteils in den Betrieb investierte, gehen ihm monatlich verloren – was bleibt, sind die Fixkosten. Doch Aufgeben kommt für Schmid und seine Familie nicht infrage, dafür liegen ihm der Betrieb und die Tiere viel zu sehr am Herzen. Der aktuelle Milchpreis führt laut Siegfried Nägele, Vorsitzender der Kreisbauernverbands, zu einem Einkommensverlust von rund 100 Euro pro Kuh jeden Monat.
Etwa 2 000 Euro investiert ein Landwirt ohne Arbeitsaufwand jährlich in jedes einzelne Tier.„Dieser Wert variiert natürlich von Betrieb zu Betrieb“, sagt Nägele. „Um über die Runden zu kommen, sollte ein Bauer mindestens 35 Cent und mehr pro Liter Milch bekommen.“ Damit ein Landwirt „erträglich, ordentlich und nachhaltig wirtschaften kann“, müsse er schon mehr als 40 Cent für einen Liter Milch erhalten. Unterm Strich verdiene ein Bauer, der im Jahr rund 3 000 Stunden arbeite, um die fünf Euro in der Stunde.
Der Milchmarkt ist umkämpft, viele Faktoren spielen eine Rolle. Zum einen sorgt das Russland-Embargo für einen Rückgang beim Milchexport. „Die russische Nachfragmenge entsprach in der Größenordnung der Milchproduktionsmenge von Thüringen und Hessen“, sagt Siegfried Nägele. Zum anderen sorgt laut Andreas Schmid die gesunkene Milchpulver-Nachfrage Chinas, als größtem Abnehmer der deutschen Milch, für Überkapazitäten am Markt. Zusätzlich sank aufgrund des gefallenen Ölpreises die Kaufkraft der Erdöl exportierenden Staaten. „Das führt zu einem Überangebot, das für die Erzeuger ruinös auf die Preise drückt“, bilanziert er. Angesichts der weltwirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ist es nach Ansicht von Andreas Schmid leicht zu sagen, dass die Landwirte zu viel produzieren, wenn ein Drittel der Weltbevölkerung hungert. „Wir würden gerne ohne Subventionen leben“, sagt Annette Schmid. „Aber wir müssen auch in der Lage sein, in den Betrieb zu investieren, um beispielsweise Maschinen am Laufen zu halten, Geräte, Dünger und Pflanzenschutzmittel anzuschaffen oder um den Tierarzt zu bezahlen, der alle zwei bis drei Wochen vorbeischaut.“
Vor knapp zwei Jahren haben die Schmids einen neuen, großen, licht- und luftoffenen Stall gebaut, der den Kühen genügend Bewegungsfreiheit und jedem einzelnen Tier einen Liegeplatz bietet. „Der muss abzahlt werden“, sagt die Wirtschaftsingenieurin. „Wir wussten natürlich, dass 2015 die Milchquote wegfallen wird, aber dass der Markt derart einbricht, war nicht vorherzusehen.“ In der jetzigen Situation müssen Reparaturen warten und technische Anschaffungen aufgeschoben werden, wie Annette Schmid berichtet. „Bis die Erzeuger die derzeitigen Einbußen wieder reingeholt haben, wird viel Zeit vergehen“, sagt Siegfried Nägele. „In etlichen Betrieben wird es einen Investitionsstau geben, der auf mehrere Jahre verteilt abgebaut werden muss.“
Vorausgesetzt die Produzenten halten so lange durch. Laut Nägele gab es in Baden-Württemberg vor Einführung der Milchquote rund 80 000 Betriebe, die Milch produzierten. Jetzt seien es landesweit nur noch etwa 8 000. „Im Landkreis Esslingen gibt es etwa 650 Landwirtschaftsbetriebe, davon sind keine 100 mehr Milchbauern. Bezogen auf die letzten 30 Jahre sind damit noch zehn Prozent übrig geblieben, die mit Milchwirtschaft ihr Geld verdienen“, so der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes. „Im Zeitraum, in dem die Quote Bestand hatte, haben circa 90 Prozent der Betriebe – bedingt durch den mit ihr einsetzenden Strukturwandel – aufgehört.“ Immer schärfere Auflagen und ein steigender Bürokratieaufwand zwangen laut Andreas Schmid viele Betriebe zur Aufgabe.
Familie Schmid hat in der Zwischenzeit versucht, ihre Milch direkt zu vermarkten und eine Anzeige geschaltet. „Natürlich ist Ochsenwang dafür kein günstiger Standort, und das Angebot muss sich erst herumsprechen“, sagt Annette Schmid, die berichtet, dass gerade einmal drei Verbraucher auf den Hof kamen und einen Liter Milch für 60 Cent kauften. Sie würde sich wünschen, dass der Konsument den Aufwand der Bauern mehr schätzt, der in die Erzeugung hochwertiger landwirtschaftlicher Produkte investiert wird. „Jeder spricht davon, dass Nahrungsmittel vor der Haustüre erzeugt und gekauft werden sollen, aber dann muss das auch honoriert werden“, bilanziert sie.