Dem Besucher kommen unverkennbar lecker riechende Kochdüfte entgegen, kaum dass er an der Schwelle zum Kellertreff im Ötlinger Rathaus steht. Der Keller ist jedoch kein finsteres Loch, es führen lediglich ein paar Stufen nach unten - direkt auf die Küchenzeile zu. Dort stehen Abdulkader und Omar an Herd und Arbeitsplatte und bereiten Spezialitäten aus ihrer Heimat Syrien zu. Im großen Topf köchelt Mlouchia vor sich hin. Die deutschen Gäste sind sich einig, dass es rein optisch große Ähnlichkeit mit Mangold hat, wenn auch die Stiele kräftiger ausgeprägt sind. Lebensmittelverpackungen mit arabischen Aufdrucken wie Sesampaste mischen sich munter mit bekannten Produkten aus dem heimischen Supermarkt.
Während die beiden Asylsuchenden ihre Speisen zubereiten, kommen die Gäste am Küchentresen miteinander ins Gespräch. Abdulkader hat quasi das große Los gezogen. Er hat ein eigenes Zimmer, im anderen Raum der kleinen Wohnung lebt ebenfalls ein syrischer Flüchtling, gemeinsam teilen sie Küchenzeile und Bad. Die Vermieterin ist an diesem Abend Gast im Kellertreff, hilft tatkräftig mit und lässt sich später das Essen schmecken.
Der Kellertreff ist eine noch recht junge Einrichtung. Im vergangenen August ziehen elf junge Männer aus Eritrea im Zuge der Anschlussunterbringung nach Ötlingen. Ende November kommt im Stadtteilcafé TrIB (Treffpunkt Information Beratung) eine bunt gewürfelte Truppe erstmals zusammen: Ötlingens Ortsvorsteher Hermann Kik, Vertreter beider Kirchen und Kirchengemeinderat, Michael Baur von der Stadtverwaltung, Helena Sauter von der Beratungsstelle Chai, vom Brückenhaus Brigitte Wetzel, Birgit Blank-Gleich und Martin Lempp - und fünf Eritreer.
Schon seit Dezember gibt es den Kellertreff im Check In des Brückenhauses für Geflüchtete aus Ötlingen. Mit dabei sind Brigitte und Laura Wetzel - Mutter und Tochter - sowie David Hofmann. Es folgen erste Kontaktaufnahmen mit den Bewohnern einer weiteren Anschlussunterbringung des Kirchheimer Stadtteils, und Mitte Februar findet das erste Treffen des Unterstützerkreises Ötlingen statt. Die Einladung erfolgt über die Ötlinger Nachrichten, das Mitteilungsblatt des Ortschaftsrats. „Wir treffen uns regelmäßig, um über die aktuelle Situation zu sprechen. Es geht vor allem aber auch um die Frage: Wie kann man wo helfen?“, sagt Brigitte Wetzel. Ständig suchen die Ehrenamtlichen nach neuen Ideen von Begegnungsmöglichkeiten. Zum einen sollen die Asylbewerber untereinander über ethnische Grenzen hinweg in Kontakt kommen, zum anderen sollen auch die Ötlinger die Möglichkeit haben, zwanglos mit den Flüchtlingen zu sprechen oder Billard zu spielen.
Der Kellertreff lockt an diesem sonnigen Abend immer mehr Menschen an. Nicht nur junge Männer stehen plötzlich vor der Tür, sondern auch eine Familie mit zwei kleinen Kindern - Omar und Abdulkader haben für ihren Koch-Abend kräftig die Werbetrommel gerührt. Jetzt ist richtig Leben in der Bude. Am Billardtisch liefern sich Laura und der Afghane Nawin eine Partie, während sich Thilo Nast mit Ghazwan in einer ruhigen Ecke auf dem Sofa unterhält. Ghazwan hat gute Nachrichten: Er ist zum Studium in Tübingen zugelassen. Noch steht der Tischkicker verlassen da, doch das ändert sich schnell, als die kleinen Jungs die Bälle entdecken und dann nach ihren eigenen Regeln spielen.
Der Tisch ist gedeckt, doch es muss immer mehr Geschirr aus den Schränken geholt werden, Stühle fehlen und werden von irgendwo hergetragen. Es wird eng an der Tafel, die Schüsseln und Teller mit Reis, buntem Salat und Falafeln machen die Runde. Die Gespräche gehen munter weiter, egal, ob auf arabisch oder deutsch. Die Köche werden für ihr Können gelobt, jeder probiert von allem etwas. Als die Ersten satt sind, machen sie Platz für die nächsten Gäste. Auch der ein oder andere Eritreer hat den Weg zum Kellertreff gefunden und lässt sich das syrische Mahl schmecken. Derweil macht sich der erste Spültrupp ans Werk. Bei so viel Geschirr lohnt sich der Weg zum TrIB schräg gegenüber. Kurzerhand hat Brigitte Wetzel beschlossen, dort die Spülmaschine zu aktivieren - schließlich hat sie die „Schlüsselgewalt“ über die Räume. Während die Maschine ihren Dienst verrichtet, sind Laura und Thilo am Becken mit den sperrigen Töpfen und Küchenutensilien beschäftigt. Vor dem Kellertreff halten die Raucher einen Plausch, und auch im Kellertreff ist munteres Geplauder zu hören, als sich die ersten verabschieden. Irgendwann zwischen 21.30 und 22 Uhr gehen die Letzten, und die Türe wird geschlossen - um am nächsten Donnerstag um 19 Uhr wieder zu öffnen.