Kirchheim
Lernen fürs Leben mit Brot- und Pizzabacken

Teckboten-Weihnachtsaktion Jeden Dienstag wird in der Kirchheimer Konrad-Widerholt-Schule der Backofen im Freien mit Holz eingeheizt. Dann heißt es für die Jungs und Mädels Schürze umbinden und loslegen. Von Iris Häfner

Es ist zapfig kalt an diesem noch dunklen Wintermorgen. Ein warmes Feuerchen zu entfachen ist da keine schlechte Idee. Dagmar Köber schreitet ohne Schülerinnen und Schüler zur Tat und feuert den schuleigenen Brotbackofen an. Doch die Minustemperaturen bedeuten auch einen schnelleren Hitzeverlust, was einkalkuliert werden muss, denn der Ofen steht im Freien unter Dach. Erfahrung hilft in dem gleich auf mehreren Ebenen dynamischen Prozess des Backens.

Dienstags steht in der Konrad-Widerholt-Schule in Kirchheim Brot- und Pizzabacken auf dem Stundenplan. „Wir sind total glücklich, dass wir diesen tollen Ofen haben. Seit vielen Jahren leistet er uns wertvolle Dienste – wir konnten ihn damals nur dank einer Spende der Teckboten-Weihnachtsaktion anschaffen“, freut sich nicht nur Rektorin Susanne Schöllkopf über diese Investition des Fördervereins der Schule. Die leckeren Laibe haben zwischenzeitlich eine Fangemeinde, die meisten sind quasi Dauerabnehmer. Den Ofen und seine daraus resultierenden Produkte wissen aber auch die Jungs und Mädchen zu schätzen, denn dienstags ist Pizza-Tag in der Großen Pause. „Die ist heiß begehrt, denn zu uns kommt kein Bäcker“, sagt Dagmar Köber.

Zum Backen werden die Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe – fünfte und sechste Klasse – eingeteilt. Sie dürfen den Unterricht verlassen und sich statt dessen eine Schürze umbinden. Bevor das erste Mehl in der Schüssel landet, zählt Dagmar Köber das kleine Einmaleins der Küchenhygiene auf. „Kein Nagellack, die Hände waschen, die Mädchen binden die Haare zusammen – beim Teigmachen stört es wirklich, wenn die Ärmel unten sind“, sagt’s und krempelt eigenhändig den Ärmel hinter den Ellenbogen eines Jungbäckers hoch. 

Theorie muss auch in der Küche sein. „Was gehört in einen Brotteig?“, fragt sie. Gemeinsam ist die Frage schnell beantwortet: Mehl, Hefe, Salz und Wasser. In der KW-Schule hat sich eine eigene Mehlmischung aus Roggen, Dinkel und Weizen – regional und möglichst in Bioqualität – etabliert, diese Mischung muss sitzen. Deshalb stehen die genauen Angaben auf einem offiziellen, laminierten Spickzettel. „Auf der Waage muss Tara sein, erst dann das Mehl wiegen. Sonst stimmt das Rezept nicht“, erinnert Dagmar Köber ihre Schützlinge und will wissen, weshalb die Hefe in den Teig muss. „Die macht, dass der Teig aufgeht“, weis einer der Gruppe. Doch damit der Teig überhaupt Bläschen wirft, „braucht ihr eure ganze Kraft. Ihr müsst so richtig mit Kraft arbeiten – nicht streicheln, richtig reindrücken“. Eine Erfahrung, die die meisten schon kennen: je länger sie kneten, desto sauberer werden die Hände. Doch nicht nur das: Das Brot wird dank dieses Prozesses auch besser. „Das Rhythmische ist wichtig für unsere Kinder“, erklärt Dagmar Köber, nachdem sie in Gedichtform die Teigherstellung erläutert und damit das Kneten unterstützt. Nach geraumer Zeit stimmt das Ergebnis und die erste Etappe ist somit geschafft. So lange der Teig geht, steht Putzen und Lebensmittel aufräumen auf dem Programm.

Zwei Mädchen sind an diesem Tag für die Pizzen zuständig. Ihr Teig unterscheidet sich ein klein wenig, es kommt noch ein bisschen Öl rein. Kräftig Kneten ist auch hier oberste Priorität. Als sie fertig sind, portionieren sie den Teig auf dem Backbrett und halbieren die Hälften so lange, bis die richtige Anzahl der runden Bleche erreicht ist, und nutzen die „Aufgeh-Phase“, um den Belag vorzubereiten. „Was ist eine Messerspitze Pfeffer? – Teelöffel darf nicht mit Esslöffel verwechselt werden, das kann bei Salz verheerend sein. Wichtig ist, dass wir abschmecken“, sagt Dagmar Köber während der Entstehungsphase des Tomatensoßen-Belags. 

Den Teig auf den Blechen verteilen dürfen alle. „Halt, halt, nicht so narrisch ausrollen“, bremst die Backchefin einen der Jungs. Ein anderer geht dagegen recht zaghaft vor und bedarf der Ermunterung, doch mit ein bisschen mehr Kraft den Teig zu wellen. Das „Feintuning“ mit Ausstreichen und -drücken erfolgt dann auf den eingefetteten Blechen. „Die Tomatensoße nicht bis zum Rand verschmieren“, lautet die nächste klare Ansage, die vorbildlich befolgt wird. Als krönender Abschluss wird noch Käse auf das Ganze draufgestreut. „So, jetzt machen wir zehn Minuten Pause“, verrät ein Blick auf die Uhr. Das Timing muss stimmen, denn die Pizzen dürfen nicht zu früh oder zu spät in den Ofen kommen, damit sie rechtzeitig zur Pause dampfend und frisch rausgeholt werden können. Dann ist Augenmaß und Armschmalz gefragt, denn die Pizzen sollen in vier gleich große Teile geschnitten werden – und der Pizzaboden erweist sich als erstaunlich widerstandsfähig. Für 50 Cent das Viertelstück gehen alle weg wie warme Semmeln. 

Nun ist es Zeit, das Brot zu holen, denn das hat jetzt wieder Platz im Ofen und braucht nicht ganz so heiße Temperaturen, darf dafür aber längere Zeit drin bleiben. Der Teig hat die Zeit im warmen Zimmer gut genutzt und ist in den Körbchen gut aufgegangen. Einzeln werden die Gefäße auf den Schieber umgestülpt und dann eingeschossen. Diese knifflige Aufgabe liegt in den Händen von Dagmar Köber, denn die Laibe gehen nochmals auf und keiner soll schließlich am Nachbarn anbacken, damit sein Aussehen nicht leidet. Klappe zu und den Dingen ihren Lauf lassen lautet nach Abschluss dieses Vorgangs die Devise.

Als die Bleche und Brotkörbchen wieder sauber verstaut im Schrank stehen, die Küche gefegt und die Tische sauber sind, kehren die Jungs und Mädels wieder in ihre Klassen zurück. Die Freude, das wohlduftende warme Brot aus dem Ofen zu holen hat Dagmar Köber am Ende des Backtags ganz für sich allein.

 

Der Förderverein

Ohne Spenden kann die Konrad-Widerholt-Schule mit dem offiziellen Namen Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit Förderschwerpunkt Lernen ihren Schülerinnen und Schülern keine besondere Förderung zukommen lassen. Die ist aber gerade für diese Kinder und Jugendlichen wichtig, um Impulse setzen zu können.

Viele kommen erst durch diese außergewöhnlichen schulischen Aktivitäten mit Ballett, Kunst und Kultur​​​​​​​ aber auch mit der Natur in Berührung. Lernen fürs Leben lautet das Motto, das so den Schülerinnen und Schülern auch zeigt, wie man Brot und Pizza selbst zubereiten kann – und damit die Zutaten selbst wählen kann. Der Förderverein ermöglicht solche Projekte, den die Weihnachtsaktion des Teckboten​​​​​​​​​​​​​​ unterstützt. ih