Kirchheim

Literaturliebhaber trotzen dem Novembergrau

Verleihung Im Kirchheimer Kornhaus wurde am Samstag der bundesweit ausgelobte Literaturpreis der keb Diözese Rottenburg-Stuttgart vergeben. Von Peter Dietrich

Fensterlesungen: Gerhard Landauer präsentierte Aphorismen von Max Eyth.Fotos: Peter DIetrich
Fensterlesungen: Gerhard Landauer präsentierte Aphorismen von Max Eyth.Fotos: Peter Dietrich

Bei ihrem „Tag der keb“ am Samstag in der Kirchheimer Innenstadt hatte die Katholische Erwachsenenbildung im Landkreis Esslingen (keb) sehr nasses Wetter erwischt. Doch sie und ihre Partner gaben nicht auf. Die anderen rund ums Kirchheimer Kornhaus in den Regen schicken, aber der Chef hält sich zurück? Nein, auch Dr. Emmanuel Gebauer, Leiter der katholischen Institution im Landkreis, erwies sich als regenresistent. Auch er stand am „Bobbimobil“, dem kleinen Knutschkugelwohnwagen der keb, und informierte über die Bildungsangebote der gemeinnützigen Träger.

Ein paar andere Programmpunkte waren leider nicht wasserfest. So musste der Jugendtanz der Familienbildungsstätte (FBS) ebenso ausfallen wie die geplante Überraschungsaktion mit Schülern der Musikschule. Regen und Holzinstrumente - das passt leider nicht. Beim Urban Sketching zogen die Teilnehmer mit dem Zeichenblock nicht wie geplant durch die Stadt, sondern hielten drinnen das FBS-Erzählcafé zeichnerisch gekonnt fest. Die Führungen durchs Max-Eyth-Haus und die literarische Stadtführung fanden jeweils rund ein Dutzend Interessenten. Die Stadtbücherei stellte ihre digitalen Angebote unterm Dach vor. Die Fensterlesungen im Max-Eyth-Haus gab es ebenfalls aus dem Trockenem heraus. Unter anderem las Gerhard Landauer Aphorismen von Max Eyth. Hinter dem Gewölk, auch hinter der schwärzesten Wolke, liege der ewig blaue Himmel, daran hatte der Dichter erinnert, als habe er die tröstlichen Worte für diesen Tag verfasst.

Eine Schrift verfassen will die FBS, feiert sie doch 2019 ihr 50-jähriges Bestehen. Als ersten Schritt hatte sie zum Erzählcafé eingeladen. Die Ehrenvorsitzende Hannelore Gölz, der ehemalige Kirchheimer Oberbürgermeister Werner Hauser, Ursula Hauser, bekannt durch ihr Engagement bei „Hilfe für Guasmo“ und die frühere Redaktionsleiterin des Teckboten, Barbara Ibsch, hatten viel zu berichten. Lag das Startkapital der FBS bei 7 000 Mark, strebte sie kurz vor Einführung des Euro auf einen Jahresumsatz von einer Million zu. 1975 wurde aus der „Mütterschule“ die FBS. Ein Jahr später wagte sie, als Leiter einen Mann einzustellen. Walter Schlecht wurde zum Glücksfall, er blieb fast 20 Jahre. Werner Hauser erkannte, dass die FBS „eine Pflanze war, die man gießen musste“. Der heutige Wunsch der FBS, das ganze Vogthaus für sich zu haben, stieß bei ihm auf Verständnis. Wenig Verständnis füreinander hatten früher jedoch die FBS und die Volkshochschule (VHS). Bei einer Sitzung im Rathaus wurde dann geklärt, wessen Stärken wo liegen und anfangs wurde strikt getrennt: Bei der FBS gab es keine Sprachkurse, bei der VHS wurde nicht gekocht. Heute geht es gelassener und sehr viel harmonischer zu.

Warum verleiht die keb in der Diözese Rottenburg-Stuttgart einen bundesweiten Literaturpreis? Sie will die Menschen zum Schreiben verführen und hat das in fünf Durchgängen schon bei mehr als 1 000 Teilnehmern geschafft. In der Wertung geht es nicht nur um die Umsetzung des Themas - in diesem Jahr „Menschen sind wir: Alle“, sondern auch um die sprachliche und literarische Gestaltung, und das auf hohem Niveau.

Der Literaturwissenschaftler Dr. Michael Krämer lobte die drei Preisträger. Cornelia Manikowsky aus Hamburg erhielt den mit 1 000 Euro dotierten 1. Preis für einen einzigen Satz. Der aber fasste unter dem Titel „weil wir Kinder waren“ auf fast einer Seite ein ganzes Leben zusammen, die ganz großen Fragen sind darin mit kleinen Alltäglichkeiten wundersam verwoben. Der zweite Preisträger, Heiner Feldhoff, aus dem pfälzischen Oberdreis, drang mit seinen nachdenklichen Einzelsätzen tief vor: Mancher spreche, ohne sein Schweigen zu brechen, und manchmal sei Angst vor der Vergangenheit angemessener als Angst vor der Zukunft, denn da könnte noch so manches herauskommen. Dr. Antje Droßmann aus Bielefeld bekam den 3. Preis für ihren einfühlsamen Text über zwei Brüder, von denen einer im Krieg erschossen wird. Ob sie das selbst erlebt habe, fragte sich die Jury, die alle 337 Einsendungen anonym zu bewerten hatte. „Nein“, sagte Antje Droßmann, „aber ich arbeite seit zehn Jahren ehrenamtlich beim Kinderschutzbund, das gibt leider viel Stoff.“

Die Gewinner des Literaturpreises der keb Diözese Rottenburg-Stuttgart: Cornelia Manikowsky aus Hamburg (Mitte) hat den 1. Preis
Die Gewinner des Literaturpreises der keb Diözese Rottenburg-Stuttgart: Cornelia Manikowsky aus Hamburg (Mitte) hat den 1. Preis gewonnen, Heiner Feldhoff aus dem pfälzischen Oberdreis den 2. Preis und Dr. Antje Droßmann aus Bielefeld den 3. Preis.