Kirchheim

Luther feiern – ganz ohne Nostalgie

Jubiläumsjahr Zum Thema „500 Jahre Reformation“ gibt es in und um Kirchheim jede Menge Vorträge, Konzerte, Seminare.

Kirchheim. Was muss 1517 am Tag vor Allerheiligen passiert sein, dass Deutschland bereits den 499. Jahrestag zum Beginn eines Jubiläumsjahres erklärt – mit einem bundesweiten Feiertag als Abschluss?

Ein aufstrebender Theologe, der sich in Fachkreisen bereits einen Namen gemacht hat, veröffentlicht Material, mit dem er zu einem Gelehrtenstreit ermuntern will. Das sollte eigentlich keinen allzu großen Widerhall finden. Und doch haben die 95 Thesen Martin Luthers gegen den Ablasshandel Geschichte geschrieben. Die dadurch ausgelöste Reformation ist einer der Punkte, an dem sich der Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit festmachen lässt. Das allein würde aber noch nicht genügen, um gleich ein ganzes Feierjahr auszurufen.

Was ist dann also der Grund? Auch wenn es in den evangelischen Kirchen keine Heiligen gibt, ist Luther doch der größte dieser „Heiligen“. Selbst über die Religion hinaus hat Luther Großes geleistet: Er hat durch seine Bibelübersetzung die neuhochdeutsche Schriftsprache begründet, und historisch hat er – so ungeplant wie alles andere auch – dazu beigetragen, dass sich viele deutsche Fürsten von Papst und Kaiser emanzipieren konnten.

Nicht zuletzt ist mit Luther eine Reihe wirkmächtiger Bilder verbunden: „Thesenanschlag“, „Hier stehe ich“ oder auch der „Tintenfasswurf“. Das alles ist ein Stück Weltgeschichte, dem man sich von allen Seiten aus nähern kann – folkloristisch, historisch, theologisch, sprachgeschichtlich, wie auch immer. Und spannende Filme gibt es mittlerweile noch dazu.

Ein Kaleidoskop an Veranstaltungen, um sich dem Phänomen Luther im Jubiläumsjahr zu widmen, bietet auch der Evangelische Kirchenbezirk Kirchheim an: In einem druckfrischen Heft, das in den Kirchengemeinden ausliegt, sind alle Termine aufgeführt. Sie reichen von Vorträgen über Lesungen, Gottesdienste und Konzerte bis hin zu Glaubensseminaren, Mal-Workshops und spirituellen Erlebnissen.

Das Besondere: Beteiligt sind nicht nur die Gemeinden der Evangelischen Landeskirche, sondern auch alle möglichen anderen Gemeinden. Selbst der Islam spielt beim einen oder anderen Vortrag eine Rolle – beispielsweise, wenn am 14. November Ahmad Mansour in der Auferstehungskirche zum Thema spricht: „Generation Allah – Wovor haben wir Angst?“

Jochen Maier, Pfarrer an der Kirchheimer Martinskirche, betont, dass kein „Luther-Nostalgie-Fest“ gefeiert werden soll. „Wir fragen lieber, was von Luther geblieben ist.“ Die Diskussion um den Glauben dürfte sicher relevant bleiben, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Auch das spricht Jochen Maier deutlich an: „Im Zusammenhang mit Fundamentalismus sehen viele die Religionen als Gefährdung der Gesellschaft.“ Andreas Volz