Kirchheim

Mädchen mobben,Jungen schlagen zu

Sicherheit Nicht nur Jungen lösen Konflikte oft mal mit den Fäusten, Jugendgewalt ist längst kein männliches Phänomen mehr. Was tun, wenn sich junge Menschen in die Haare kriegen? Von Daniela Haußmann

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Dass Jugendliche Grenzen übertreten, ist normal. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Provozieren, rebellieren, abgrenzen - auch für viele Eltern gehörte das mal zum guten Ton. Zumindest in einer frühen Phase ihres Lebens. Schwierig wird es allerdings, wenn die Spielregeln des Miteinander so ausgereizt werden, dass andere physisch und psychisch leiden. Jugendgewalt ist zwar kein neues Phänomen, aber es verändert sich. Auch in Kirchheim und Umgebung ist Gewalt unter jungen Menschen längst kein Thema mehr, das nur Jungen betrifft.

Jürgen Domhöver von der Jugendgerichtshilfe des Landratsamtes Esslingen beobachtet, dass die von Mädchen ausgeübte Gewalt zugenommen hat. Obwohl der Anteil der von Jungen verübten Delikte deutlich höher ausfällt, kann laut Domhöver keineswegs von weiblichen Einzelfällen die Rede sein.

Eine Erfahrung, die auch Heidi Kaufmann vom Kreisjugendring Esslingen macht. Mädchen wenden der Anti-Gewalt-Trainerin zufolge in aller Regel indirekte, subtile Gewaltformen, wie zum Beispiel Mobbing, an. Die Mediatorin hat an einer Schule im Raum Kirchheim aber auch schon erlebt, dass eine Schülerin ihre Klassenkameraden derart um den Finger wickelte, dass die auf ihr Geheiß andere verprügelt haben.

Trotzdem ist Jugendgewalt auch in der Teckregion weiterhin hauptsächlich ein männliches Phänomen. Jürgen Domhöver betont aber: „Kirchheim hat kein Problem mit Jugendgewalt, die Stadt ist sicher.“ Da Jugendgewalt überwiegend im öffentlichen Raum stattfindet, wird sie von der Gesellschaft stärker wahrgenommen. „Das heißt nicht, dass die Zahl der zur Anzeige gebrachten Zwischenfälle steigt“, sagt Domhöver. „Trotz Zuwanderung haben die Straftaten in diesem Bereich kaum zugenommen.“

Ob Schule, Freibad oder Stadtfest - Konflikte können überall entstehen. Wichtig ist, dass sie nicht eskalieren. Neben Alkohol und Drogen, können laut Heidi Kaufmann auch Perspektivlosigkeit, Langeweile oder ein schwieriges soziales Umfeld ebenso Auslöser für Konflikte sein, wie die Suche nach Respekt und Anerkennung.

Doch was tun, wenn es hart auf hart kommt? Viele Eltern, mit denen Kaufmann im Landkreis Esslingen spricht, finden, dass sich Kinder wehren, aber nicht ebenfalls provozieren sollten. Doch damit steigt nicht allein das Risiko, im schlimmsten Fall im Krankenhaus zu landen. „Wer unterliegt, läuft zudem Gefahr, als leichtes Opfer erneut zur Zielscheibe zu werden“, gibt die Expertin zu bedenken.

Körpersprache ist wichtig

Um angespannte Situationen zu entschärfen, sollten Jugendliche deutlich machen, dass sie keinen Stress wollen. „Körpersprache und verbale Aussage müssen dabei übereinstimmen“, so Heidi Kaufmann. „Wer sagt, dass er seine Ruhe will, muss sich vom Streitsuchenden wegbewegen und darf nicht auf ihn zugehen.“ Wenn der Konflikt aber eskaliert, bleibt dem Opfer meist nichts anderes übrig, als sich mit aller Kraft zu wehren. Um Ärger gleich zu vermeiden, lässt sich auch ein anderer Weg nach Hause einschlagen, wenn man auf Gruppen stößt, die in ihrem Verhalten schwer einzuschätzen sind.

Erwachsene und Jugendliche, die Opfern in einer akuten Auseinandersetzung helfen wollen, sollten sich nie zwischen die Streitenden stellen und versuchen sie auseinanderzurücken. „Personen, die dazwischen gehen, werden eher als Hindernis wahrgenommen, das aus dem Weg geräumt werden muss“, klärt Kaufmann auf. „Stattdessen sollte man sich dem Opfer seitlich nähern, es wegziehen und dabei auffordern, mitzukommen.“

Solche Situationen sind heikel. Jürgen Domhöver hat zwei Jugendliche als Jugendgerichtshelfer betreut, die in Kirchheim alkoholisiert erst auf Autos einschlugen und dann auf einen Fremden, der sie bat, damit aufzuhören. Der Fachmann empfiehlt, in solchen Fällen nicht den Helden zu spielen, sondern den Notruf 110 zu wählen oder Passanten um Mithilfe zu bitten.

Domhöver betont aber: Die Mehrzahl der Jugendlichen verhält sich völlig unauffällig.