Kirchheim
Mediziner muss ins Gefängnis

Justiz Im Prozess gegen den Arzt, der eine Norma-Filiale beraubt hatte, wurde das Urteil gesprochen: dreieinviertel Jahre Haft.

Wendlingen. Ein 57-jähriger Chirurg muss wegen schwerer räuberischer Erpressung drei Jahre und drei Monate hinter Gitter. Zu dieser Strafe verurteilte das Stuttgarter Landgericht den Mediziner gestern. Der Mann hatte am 20. Juni vergangenen Jahres mit Waffengewalt in Wendlingen den Norma-Markt überfallen (wir berichteten).

Nur drei Wochen benötigte die 7. Große Strafkammer am Stuttgarter Landgericht, um diesen ungewöhnlichen Fall mit einem Urteil abzuschließen. Ungewöhnlich daran war, dass der Täter, der mit einer täuschend echt aussehenden Dekorationspistole die Kassiererin des Norma-Marktes in Wendlingen überfiel, ein Akademiker ist. Ein Mann, der einst als erfolgreicher Chirurg auch als Notarzt tätig war. Warum genau er den Norma-Markt überfiel, konnte er in der Verhandlung nicht überzeugend darlegen.

Er leide seit Langem an schweren Depressionen, hatte er gesagt. Ein psychiatrischer Sachverständiger kam jedoch in dem Prozess zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte – zumindest zur Tatzeit – psychisch normal und gesund war und somit auch voll schuldfähig. Er habe zwar ein gesundheitliches Problem gehabt, sich teilweise selbst therapiert mit Medikamenten, doch einen psychischen Ausnahmezustand habe es bei ihm nie gegeben, so der Gutachter. Vor rund zehn Jahren habe er versucht, sich mit seinem Auto das Leben zu nehmen, weil eine Pistole, mit der er sich erschießen wollte, im letzten Augenblick versagt habe.

Bei dem Überfall vom 20. Juni habe er professionell gehandelt, sich zuvor im Internet eine täuschend echt aussehende Polizei-Dekowaffe besorgt. Dann hatte er sich mit einer Corona-Maske, einer Sonnenbrille und einer Wollmütze maskiert. Damit ausgerüstet richtete er die Waffe gegen die Kassiererin. Mit seiner Beute von 2100 Euro flüchtete er, konnte aber kurz danach festgenommen werden – eine ganz normale schwere räuberische Erpressung, wie der Vorsitzende Richter gestern betonte. Strafmilderung gab es lediglich durch das Geständnis und die Erklärung, wonach der Angeklagte bereits 3000 Euro Schmerzensgeld an die Norma-Kassiererin überwiesen habe. Das Gericht ordnete zudem noch die Einziehung von 2100 Euro aus dem Vermögen des Arztes als Wiedergutmachung an.

Die verhängte Haftstrafe hatte auch der Staatsanwalt beantragt gehabt, während der Verteidiger des Beschuldigten darauf hinwies, dass bei dem Überfall nur eine Plastikwaffe benutzt wurde und obendrein keine Gefahr von Verletzungen bestand, und auf zwei Jahre Haft mit Bewährung pochte. Das Urteil wurde noch am gestrigen Verkündungstag rechtskräftig, da auf Revision verzichtet wurde. Bernd Winckler